Kopf oder Wahl?

Über Jahre waren Hillary Clintons Haare Gegenstand öffentlicher Diskussionen, ein Umstand, der vielen Politikerinnen widerfährt. Doch in diesem Wahlkampf wird nur über den goldenen Flaum ihres Widersachers gesprochen. Wie Clinton dieses Problem gelöst hat? Unsere Modekolumnistin weiß es.

Hillary Clinton trägt edlen Zwirn und erntet heiligen Zorn

Das war natürlich eine eher unglückliche Text-Bild-Schere, ausgerechnet in einem 12000-Dollar-Armani-Jackett eine Rede über Einkommensungleichheit zu halten. Hillary Clinton wurde dafür vor einigen Wochen ausgiebig abgestraft, da hätte man im hochbezahlten Wahlkampfteam darauf kommen können. Mit einem 40-Euro-Kik-Kostüm als Anspielung auf Niedriglohnjobs wäre sie sicher behutsamer filetiert und nur wegen bigottem Motto-Dressing beschimpft worden.

Das eigentlich Interessante an dieser Styling-Debatte jedoch ist, wofür Clinton gerade mal nicht kritisiert wird: ihre Haare. Geradezu auffällig lange gab es kein »Hairgate« mehr, keine Diskussion über ihre dünnen Haare, fehlende Spannkraft, nachlässig zusammengebundene Pferdeschwänze, während es zu ihrer Zeit als First Lady und Außenministerin quasi um nichts anderes ging. Was zwar eigentlich zum, genau: Haare raufen unfair ist, aber selbst Clinton nahm es irgendwann mit Humor und scherzte noch, sie habe ihre Biografie »Hard Choices« eigentlich »The Scrunchie Chronicles« nennen wollen. Die Haargummi-Chroniken. »112 countries and it’s still all about my hair.«

Das Problem hat sie also anscheinend wirklich in den Griff bekommen, beziehungsweise sich die richtigen Leute dafür geholt. Und ehe man sich’s versieht, gräbt das »New York Magazine« auch schon die entsprechende Frau an der Haarwurzel aus: Isabelle Goetz. Französin mit Salon in Washington, bereits seit 1997 persönliche Hairstylistin der Präsidentschaftskandidatin und verantwortlich für den »Lift-and-Layer«-Look. Das Interview mit ihr gehört zu den Sternstunden des investigativen Beauty-Journalismus.

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So lernen wir beispielsweise, dass Goetz quasi 24h/7 im Dienst ist. Morgens um 7 Uhr geht es mit dem Fönen los, manchmal, wenn die Haare sich etwas schwer anfühlen, wird ein bisschen nachgeschnitten, in jedem Fall viel Haarspray verwendet, und dann heißt es: hoffen. Dass bei einem Auswärtstermin der Wind nicht von hinten kommt und ihrem Schützling die Haare ins Gesicht bläst. Goetz fliegt mit ihr überall hin, immer einen Ersatz-Haartrockner in der Tasche, man weiß ja nie, was kommt oder wer es auf den »First Fön« abgesehen hat.

Aber der Weg bis zu ihr war ja auch nicht einfach. Früher besuchte Clinton offenkundig gar keinen richtigen Friseur, dann versuchte sie es mit einem Celebrity-Stylist namens Christophe in Beverly Hills. Den dann übrigens auch Bill Clinton konsultierte und deshalb einmal die Präsidentenmaschine ein paar Stunden auf dem Flughafen in Los Angeles warten ließ, bis der Maestro mit ihm fertig war. Dann wechselte Frau Clinton kurz zum Star-Coiffeur Frédéric Fekkai, um schließlich bei Goetz zu landen, die im Team schon bald als »Keeper« gehandelt wurde. Clinton-Slang für jemanden, den sie »behalten« statt wieder loswerden will. Die Kosmetikerin hält Frau Clinton sogar noch länger bei sich.

Wer jetzt meint, das sei doch alles total übertrieben, das bisschen Haare könne doch wohl jeder selbst rundbürsten – schon Lady Diana machte ohne ihren persönlichen Haarstylisten Sam McKnight in der Öffentlichkeit keinen Schritt, weil sie ihre Wirbel nicht allein bändigen konnte. Frankreichs Präsident Hollande gibt, wie neulich bekannt wurde, fast 10000 Euro pro Monat für seinen im Élysée-Palast angestellten Friseur aus. Und man möchte gar nicht wissen, was diese Vorwärts-Tolle aus dem republikanischen Lager so alles an »Maintenance« auffrisst. Über Trumps Haare/Transplantationen/Affenhaar-Toupé ist schon so viel spekuliert worden, dass er zumindest wirklich ein Buch damit füllen konnte. Geeigneter Titel: »Blow up.«

Im Fall von Hillary Clinton muss man jedenfalls sagen: Die Haare sitzen fantastisch. Besser waren Wahlkampfgelder nie angelegt. Sollte sie tatsächlich amerikanische Präsidentin werden und alle Positionen im Kabinett so ideal besetzen wie den ihrer Haar-Stylistin, kann eigentlich nichts mehr schiefgehen.

Wird getragen von: amerikanischen Präsidentschaftskandidatinnen und demokratischen Ultra-Fans
Typischer Instagram-Kommentar: »Washington: Regen. Die Frisur sitzt.« 
Titel der nächsten Biografie: Hard Choices II: Haarspray, Haarlack oder Festiger?

Foto: Gettyimages / Anadolu Agency