Würg!

Noch so ein Fossil aus den Neunzigern: Der Choker, auch Kropfband genannt, ist zurück. Ob Trägerinnen wie Lena Meyer-Landrut wissen, was es damit auf sich hat?

Die Neunziger. Keiner wollte sie zurück, jetzt sind sie trotzdem wieder da. Nach gut 25 Jahren ist schließlich eine neue, unschuldige wie ahnungslose Generation herangewachsen, die ein Recht auf die gleichen modischen Höhen und Tiefen hat wie die zuvor. Soziokulturell nur fair. Also tragen Mittzwanziger wie Lena Meyer-Landrut jetzt bauchfrei, Doc Martens, dunkelauberginefarbenen Lippenstift und, wie hier deutlich zu erkennen: Choker, schmales Halsband. So wie früher Winona Ryder, Drew Barrymore, Britney Spears und der komplette weibliche Melrose-Place-Cast.

Ein schmales Band mitten am Hals erinnert zwar unweigerlich an, nun ja, ein Halsband wie bei Hunden oder Katzen, sieht an jungen Mädchen ohne Doppelkinn aber wahrscheinlich auch deshalb irgendwie niedlich aus. Lena fährt gleich mal mehrreihig und kombiniert als Bruch noch ein Strass-Collier drunter. Eine Art Post-Neunziger-Styling, das diesen Sommer auch bei Chanel zu sehen war. Für alle, die den Hals nicht vollkriegen. So oder so wird der Fokus zur Abwechslung angenehm weit weg von Busen und Dekolleté gerückt, der Choker ist quasi der Rollkragenpullover der Freiluftsaison.

Aber, so könnte man die jungen Dinger ja mal fragen: Wisst ihr eigentlich, was ihr euch da umschnallt? Die Bänder sind modehistorisch nämlich hochinteressant. Da wäre etwa der deutsche Begriff »Kropfband«, der zwar nicht sonderlich hübsch klingt, aber eine erstaunliche Geschichte hat: Die Frauen im Salzburgerland versteckten früher darunter tatsächlich einen unschönen Kropf oder die Narben der Entfernung eines solchen. Das in der Region gewonnene Salz enthielt kein Jod, Zusätze gab es damals noch nicht, viele litten deshalb an Schilddrüsenerkrankungen. Nach der französischen Revolution trugen Frauen rote Schleifchen am Hals, um an die Opfer der Guillotine zu erinnern. Und später schnürten sich vor allem Prostituierte schwarze Bändchen als Erkennungszeichen um den Hals.

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Letzteres hat Lena, Kendall, Kim & Co natürlich wieder keiner gesagt, als sie 730 Euro für einen Choker mit Schnalle von Alexander Wang hinblätterten. Oder sie tragen, im Gegenteil, jetzt ganz bewusst dunkle Bändchen, weil das eben ein bisschen verruchter daherkommt als das Silberkettchen mit Herz-Anhänger. Einfacher zu tragen als Overknees, diese andere Alibi-Unsittlichkeit, sind die Dinger allemal. Jedenfalls wenn sie nicht zu eng am Hals sitzen. Sonst lernt man hautnah, was »to choke« noch einmal auf Deutsch heißt: würgen, abschnüren, ersticken. Vielleicht klingt Kropfband doch nicht so schlecht?

Wird getragen von: Lena, Kim, Kendall und anderen Band-Mitgliedern
Typischer Instagram-Kommentar: Und jetzt mal ganz tief Luft holen!
Das kommt als nächstes aus dem Fundus der Neunziger zurück: Radlerhosen, Buffalo-Schuhe, Baseballkappen seitlich tragen

Foto: Gettyimages / Matthias Nareyek