Nie wieder AirBnB

Die Luft ist raus: Nach diversen unschönen Vorfällen hat unsere Autorin genug von der Übernachtungs-Plattform. Ein Abschiedsbrief.

Liebes AirBnB,

Es ist aus mit uns. Ich mache Schluss mit dir.

Gerne hätte ich dir meine Entscheidung von Angesicht zu Angesicht verkündet oder jedenfalls in einem ehrlichen Gespräch. Das gehört sich so, wir kennen uns ja schon so lange, inzwischen seit sechs Jahren. Online Schluss zu machen, finde ich eigentlich das Allerletzte. Aber weil du deine Telefonnummer so gut versteckt hast, dass man danach wirklich zeitraubend suchen muss, und deine Kundenberater so verdammt schwer erreichbar sind, lässt du mir keine andere Wahl.

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Also: Das Video der südafrikanischen Filmemacherin, die von ihrem AirBnB-Vermieter kopfüber die Treppe hinunter gestoßen wird, weil sie einige Minuten zu spät auscheckt, ist für mich der letzte Schubs.

Wäre das nur der Ausraster eines wütenden Cholerikers, könnte ich das irgendwie noch als Einzelfall abtun und deine Entschuldigung akzeptieren. Aber der Rassismus von AirBnB-Vermietern ist längst gut dokumentiert.

Unsere Beziehung begann, wie so oft bei Liebesgeschichten, mit einer romantischen Idee. Ich gebe zu, dass ich bei unserem ersten Date hingerissen war. Zwischen uns war es Liebe auf den ersten Blick.

Ich war immer schon ein Fan von Bed & Breakfasts, denn ich hasse das monotone Beige der Hilton-Teppiche und das lauwarm verquirlte Frühstücks-Rührei der Marriott-Buffets. Viel lieber sind mir die Familienpensionen, in denen sich die Oma über Komplimente zu ihrem Kuchen freut, gerade in den angelsächsischen Ländern. Ich erinnere mich mit glückseliger Nostalgie an die Nächte, die ich bei den alternden Harley-Davidson-Rockern an der Ostküste verbrachte, und an den selbst gekochten Haferbrei mit selbst geernteten Pflaumen, den mir die fröhlichen Hippies in ihren lila Latzhosen in New England zum Frühstück servierten.

Als du dann daher kamst, mit deiner Idee für eine Online-Plattform, auf der Menschen die Luftmatratze in ihrem Gästezimmer vermieten, war ich sofort Feuer und Flamme. Kontakt mit den Ureinwohnern, knackige Croissants, dazu gute Gespräche und Insider-Tipps, ach, herrlich! Sign me up!

Meine erste AirBnB-Erfahrung in Barcelona war ein voller Erfolg. Ein supernetter Gastgeber, dessen gebrochenes Englisch so reizend war wie sein Gästezimmer mit Blick auf die Piazza.

Ich hätte es bei diesem One-Night-Stand belassen sollen, aber irgendwie hegte ich die Hoffnung, aus uns könnte mehr werden: vielleicht nicht Gefährten fürs Leben, aber doch zumindest feste Reisepartner in unserer Lust, die Welt zu erobern.

Vielleicht ist dir der schnelle Erfolg zu Kopf gestiegen – 30 Milliarden Dollar Marktwert in nur knapp neun Jahren, das verträgt nicht jeder.

In den letzten Jahren haben wir uns auseinander gelebt. Wie so viele Beziehungen fing auch unsere mit einem romantischen Urlaub im Süden an und ging dann über die Jahre im stressigen Gehupe in den Seitenstraßen von New York in die Brüche. Daran ist vor allem New York schuld. Jeder weiß, dass es in den besseren Gegenden keine bezahlbaren Hotelzimmer gibt.

Wie froh ich war, als ich meine Verlegerin in New York besuchte und du mir in allerbester Lage, gleich um die Ecke des funkelnden Verlagsturms in der Avenue of the Stars, ein Zimmer für 160 Dollar mit Panorama-Blick über Manhattan anbieten konntest. Als ich ankam, war der Blick tatsächlich wie auf dem Foto, die Vermieter ein charmantes Schwulenpärchen, das nicht reizender hätte sein können. Das Zimmer entpuppte sich dann nicht als echtes Zimmer, so mit Türe und Kleiderschrank, sondern nur als Wohnnische, die das nette Pärchen mit einem Vorhang von der offenen Küche und dem Rest der Wohnung abgetrennt hatte. Bis ich meine Ohrstöpsel gefunden hatte, verbrachte ich die Nacht damit, ihnen bei jedem Räuspern ohne Schalldämmung zu lauschen. Dass es keinen Kleiderschrank oder auch nur irgendetwas gab, wo ich meine Klamotten hätte ablegen können, dass der Boden voller Zehennägel-Schnipsel und das Bett voll Katzenhaare war, nun ja, zum Glück mag ich Katzen.

Das ist ja Teil deines Charmes: dass man nie genau weiß, was einen erwartet. Und dass du »mit AirBnB den Weltfrieden fördern« und »mit offenen Häusern eine bessere Welt schaffen« möchtest, hätte ich dir beinahe geglaubt.

Aber unter deinen derzeit zwei Millionen Inseraten finden sich immer öfter miese Absteigen. Als ich wieder nach New York wollte und keine Lust auf Zehennägel in der Küchennische hatte, suchte ich mir ein wunderbar romantisches Zimmer in den Harlem Heights. Erst als ich dem Vermieter einige Fragen stellte und er bei seiner Antwort versehentlich seine richtige Adresse mitschickte, konnte ich ihn googeln und erfuhr: »Jeremy« ist gar kein netter New Yorker, der sein Gästezimmer vermietet, sondern der Manager eines elendig herunter gewirtschafteten, illegalen Zwei-Sterne-Hotels, der seine Zimmer nicht füllen konnte. Auf der Bewertungsplattform Yelp hatte es diese Bruchbude auf 13 wütende Ein-Sterne-Beschimpfungen gebracht – aber auf deiner AirBnB-Seite klang das viktorianische Townhouse wie eine Luxusherberge. Hättest du den denn nicht selber googeln können, bevor du ihn auf deine Plattform lässt?

Die meisten Beschimpfungen bekam der Mann dafür, dass er gerne kurzfristig Reservierung absagte, oft am gleichen Tag. Einer Frau, die er trotz Reservierung ausgerechnet am Weihnachtstag vor der Tür stehen ließ, war davon gar nicht begeistert. Ihr Wutanfall wird den Weltfrieden nicht gefördert haben.

Das bringt uns zum Hauptgrund meines Trennungswunsches: Deine vielen Seitensprünge. Ich fühle mich betrogen. Wieso muss ich als Kunde bei vielen Vermietern 50 Prozent der Miete als Stornogebühr zahlen, wenn ich dann doch nicht verreisen kann, selbst wenn ich zwei Wochen im Voraus Bescheid sage – wenn doch die gleichen Vermieter ihrerseits jederzeit straffrei kündigen dürfen?

Es war mir schon klar, dass du als cooles Silicon-Valley-Start-Up auch andere bei dir übernachten lässt, aber immer öfter stoße ich auf Anbieter, die schwungvoll ein Dutzend Wohnungen gleichzeitig vermakeln und nur so tun, als seien sie die Tina, die in Manhattan lebt und ihr Mini-Studio untervermietet, weil sie zum Backpacking nach Europa aufbricht.

Als ich mit dir zum Konzert der Rolling Stones und The Who in die Wüste von Palm Springs wollte, entdeckte ich begeistert einen Bungalow in Fahrradnähe und wollte sofort drei Nächte buchen. Aber als der Andrang so groß wurde, dass der Vermieter mehr Profit witterte, schrieb »Henry« überraschend, der ausgeschriebene Preis sei »nicht korrekt«, es gäbe nun plötzlich vier Nächte Minimum-Buchung, und das zum fast doppelten Preis plus 200 Dollar Reinigungskosten. Für 4720 Dollar könnte ich aber gerne bei ihm wohnen. Soviel war mir Mick Jagger dann doch nicht wert. Ich habe mich daraufhin bei dir beschwert, aber auf meinen Protestbrief hast du nie geantwortet.

Wir haben uns auseinander gelebt. Gut, das viktorianische Gästehaus im angesagten Castro Viertel von San Francisco war wunderschön, aber weil zu den 168 Dollar pro Nacht nochmal fast genau so viele Gebühren kamen, hätte ich mir für das Geld auch schon fast das Fairmont leisten können.

Dass du, obwohl wir uns schon einige Jahre kennen, plötzlich alles Mögliche über mich wissen wolltest, könnte ich ja im Interesse der Sicherheit noch verstehen. Dass du mich allerdings nur noch bei dir übernachten lässt, wenn ich meinen Personalausweis scanne und bei dir hochlade, scheitert daran, dass ich dir nicht zutraue, mit meinen Daten sensibel umzugehen. Ich habe den Eindruck, es geht dir nicht mehr darum, mich näher kennenzulernen, sondern darum, meine Daten abzuschöpfen.

Ich habe leider in diesem Jahr wesentlich mehr Zeit online auf deiner Webseite verbracht als offline in deinen Betten, schnüffle nach Nebenkosten (welches Studio braucht eigentlich 350 Dollar Reinigungsgebühr?) und abgefahrenen Abzockern. Neuerdings bietest du auch Surf-Kurse in Kalifornien, Samurai-Schwertkampfkurse in Japan und Töpferkurse in der Toskana an. Ich aber habe das verloren, was für gemeinsame Reisen unerlässlich ist: das Vertrauen, online und offline.

Ich vergnüge mich inzwischen mit anderen Apps, flirte auf französisch mit Talktalkbnb.com, und bei meinem letzten New-York-Besuch buchte ich in letzter Sekunde mit der Hotel-Tonight-App eines der besten Fünf-Sterne-Boutiquehotels der Stadt, zu einem Preis, für den du mir nur ein dunkles Kabuff in Harlem anbieten konntest.

Ansonsten werde ich wieder zu den echten Bed & Breakfasts zurück kehren, in denen die Mama den Kaffee brüht und der Papa morgens Spiegeleier brät. Wo ich einfach anrufen und ein Zimmer buchen kann ohne mich mit deinen Online-Gebühren und den verdammten Bestimmungen im Kleingedruckten herumschlagen zu müssen. Und wo dann ein echter Ureinwohner vielleicht tatsächlich eine Luftmatratze aufbläst.

Zwischen uns, mein Luftikus, hat es sich ausgeklickt.

Korrektur: In einer früheren Version dieses Textes wurde die Filmemacherin, die von ihrem Vermieter die Treppe hinuntergestoßen wurde, als Afroamerikanerin bezeichnet. Sie ist aber Südafrikanerin. Wir bedauern den Fehler.

Foto: dpa