Liebe Jugend (12 bis 16 Jahre),
bevor ihr gleich bei "youporn.com" eure neuen Erotikvideos hochladet und die Klassenkameraden zum Mittwochnachmittag-Gruppensex vorbeikommen, lest hier doch kurz nach, wie vor langer, langer Zeit, etwa 1980 bis 1990, Romantik zwischen Teenagern funktioniert hat.
Wir, die Erwachsenen, machen uns nämlich Sorgen. In dem kürzlich erschienenen Buch "Deutschlands sexuelle Tragödie: Wenn Kinder nicht mehr lernen, was Liebe ist" mussten wir mit Erschrecken lesen, dass ihr mittlerweile schon mit elf Jahren das erste Mal Geschlechtsverkehr habt, Aufklärung über derbe Interneterotik stattfindet, Partnerwechsel und Gruppensex kein Tabu mehr sind und sich Pärchen auf dem Schulhof nicht mehr küssen, weil sie das im Porno nicht gezeigt bekommen. Oh je.
Darum nun ein Ausflug in die gute alte Zeit: Damals haben sich Jugendliche (12 bis 16 Jahre) an Freitagnachmittagen gegen 15 Uhr zu sogenannten Schiebertanzpartys getroffen (auch bekannt als "Schunkelblues", "Engtanz" oder "Stehblues"). Ein guter Ort dafür waren Hobbykeller von Mitschülern mit besser verdienenden Eltern. Durch das Verdunkeln der Kellerfenster wurde eine Abendstimmung imitiert (man musste früh daheim sein), dann legte jemand unfassbar kitschige Musik auf, Kuschelrock genannt. Lieder namens "Eternal Flame", "When A Man Loves A Woman", "Listen To Your Heart" oder "I Am Sailing".
Die Hymne der Stehblues-Tänzer hieß "Reality", gesungen von Richard Sanderson, den nicht einmal wir mehr kennen. Bekannt wurde das Lied durch den wunderbaren Teenager-Film "La Boum", was französisch ist und "das Fest" bedeutet. Alle Jungs (12 bis 16) waren damals (1980-1990) in Sophie Marceau verliebt, alle Mädchen in Pierre Cosso (aus La Boum 2) - die beiden Hauptdarsteller, die einen von Natur eingebauten Weichzeichner im Blick hatten. Sophie Marceau dreht immer noch Filme, sie zeigt sich dabei anders als in "La Boum" gerne nackt, vielleicht habt ihr sie in Ausschnitten mal bei youporn gesehen. Doch zurück zur Romantik: Bei uns gab's noch Händchen halten, da wurde auf Papierzetteln im Unterricht schüchtern gefragt, ob man mit einander "gehen" möchte, dazu gab es die Auswahlmöglichkeiten "ja", "nein" und "weiß nicht". Und wenn sich zwei pochende Teenagerherzen dann im Engtanz nahekamen, heißt "eng" nicht "Sex mit Hosen an" wie heutzutage in jeder Disko beim ersten Lied unter 500 beats per minute, sondern "eng" bedeutete, dass man weniger als eine Armlänge voneinander entfernt war und sich berührt hat. Das war wunderschön. Und die Härteren unter uns haben sich dabei sogar geküsst, gerüchteweise unter Einsatz der Zunge.
Vermutlich lacht ihr jetzt über uns, aber probiert es doch einfach mal aus. Wenn euch vom Gruppensex mal wieder langweilig ist. Ihr müsst ja auch nicht "Eternal Flame" dabei hören.
Foto: Gaumont International