V - Vorhaut

Einer beschnitten, einer nicht: zwei Männer über ihr Leben mit und ohne Vorhaut.

    OHNE:
    Ich glaube, dass türkische Männer Angst vor Fasching haben. Warum ich das glaube? Ich war kürzlich in Istanbul, wo mir ein kleiner Junge in einem wunderbar kitschigen Sultan-Kostüm auffiel. Er strahlte, seine Eltern strahlten, ich strahlte, wie süß, es schien so eine Art Familienfest zu sein, dann meinte mein türkischer Freund: „Der wird heute beschnitten.“

    Aua. Offenbar ist Teil der Zeremonie neben vielen Geschenken auch das Anlegen eines historischen Gewands. Der arme Bub! Da darf er sich zum ersten Mal im Leben verkleiden - Fasching gibt es in der Türkei nicht -, ahnt nichts Böses und dann schneidet ihm jemand vor versammelter Verwandtschaft seine Vorhaut ab. Darum, glaube ich, müssen türkische Jungs in Deutschland zusammenzucken, wenn sie verkleidete Kinder an Karneval sehen.

    Nun zu mir und meiner Beschneidung. Aua. Nein, ehrlich gesagt: ich erinnere mich nicht. Es meinte nur irgendwann eine Freundin zu mir: „Hey, du bist ja beschnitten! Super.“ Da fiel es mir auf, dass ich sozusagen kein Rollkragenpulli-Träger bin, sondern eher so V-Ausschnitt. Offenbar gab es, als ich klein war, medizinische Komplikationen, die ... na gut, ich sag einfach das hochpeinliche Wort: Vorhautverengung. Schnell weiter. Also seitdem bin ich unten ohne, was der Literatur sowie dem jüdischen und muslimischen Glauben zufolge nur Vorteile hat: Der Mann kann länger (sagt die Sex-Literatur), es ist hygienischer (sagen Mediziner) und es sieht besser aus (sagt die Freundin).

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    Seit einiger Zeit achte ich in Umkleidekabinen darauf, und tatsächlich sieht so manche Vorhaut erstaunlich albern aus. Wie ein zugezogener Nikolaussack, um einen kalendarischen Vergleich zu bemühen. Nach langem Nachdenken ist mir nur ein Vorhaut-Vorteil eingefallen: An FKK-Stränden bekommt der beschnittene Mann vermutlich eher einen Sonnenbrand.

    Dazu muss man sagen: Ich habe einige FKK-Urlaubserfahrungen. Noch so ein Kindheitstrauma. Aber das muss ich nicht auch noch erzählen, ich hab mich schon genug blamiert.

    MIT:
    Im Film „Verrückt nach Mary“ ereignet sich folgende Szene: Wir sehen Ted, gespielt von Ben Stiller, in der Toilette. Nach Verrichtung seines Bedürfnisses schließt er seine Hose mit einem kräftigen Ruck, und der Reißverschluss klemmt sein bestes Stück der Länge nach ein. Ich konnte über diese Szene nicht lachen. Bei so einem Anblick verzieht sich mein Gesicht, und ich krampfe mich auf der Couch zusammen. Männer sind in diesem Bereich sehr empfindlich, und dort in irgendeiner Form Schaden zugefügt zu bekommen, ist schlicht die Hölle. Ich habe lange genug Fußball gespielt, um das zu wissen.

    Deshalb bin ich sehr froh, noch im Besitz meiner Vorhaut zu sein. Und nur deshalb. Es geht nicht um die Sache selbst. Diese paar Quadratzentimeter Haut sind mir nämlich eigentlich völlig egal. Ich brauche sie nicht, sie stören mich aber auch nicht. Ich glaube nicht, dass sie hygienisch einen Unterschied machen, jedenfalls nicht, wenn man einigermaßen normale Waschgewohnheiten hat. Und ästhetisch sind sie erst recht belanglos, denn mal ehrlich, ein Penis ist nun mal nicht schön, weder mit nackter noch mit verhüllter Eichel.

    Einen Nachteil bringt die Vorhaut aber mit sich: Trotz der Gleichgültigkeit, die ich ihr entgegenbringe, lebte ich meine gesamte Jugend in Angst davor, irgendwann zu merken, huch, das ist jetzt irgendwie ein bisschen eng da, und sie dann abgesäbelt zu bekommen. Und mich dann wochenlang so zu winden wie sonst nur bei Ben Stillers Toilettenmalheur.

    Die Autoren möchten namentlich nicht genannt werden.