Die ästhetische Erziehung eines Kindes hängt zwar auch von den Eltern ab, doch wirklich beeinflussen oder gar manipulieren können sie den Geschmack des Nachwuchses nicht. Schon Kleinkinder entwickeln ihren eigenen Stil ziemlich unabhängig: Sie haben ihre Lieblingsfarben und wollen dann zum Beispiel nur rote T-Shirts tragen. Spätestens ab dem Schulalter lassen sich die Kinder von den Eltern bei der Wahl ihrer Garderobe überhaupt nicht mehr beeinflussen.
Das war früher anders. Die Kinder kannten zum Beispiel nur die Pullover, die von den Eltern besorgt wurden. Heute hingegen werden sie von klein auf mit einer großen Auswahl an Kleidung konfrontiert. Dieses Angebot zeigt ständig Alternativen zu den Vorschlägen der Eltern. Da der Markt dabei einen gewissen Rahmen vorgibt, kann man sagen: Es regieren die Schaufenster! Die Eltern müssen deswegen nicht jedes pinkfarbene Barbie-T-Shirt kaufen, das die Tochter unbedingt will. Aber es bringt nichts, den Wunsch nach einem Barbie-T-Shirt oder einer viel zu weiten Baggyhose einfach zu ignorieren und das Kind stattdessen zu elegantem College-Look zu zwingen. Wenn den Eltern überhaupt nicht gefällt, was die Kinder gern hätten, dann sollten sie es ihnen gegenüber begründen und einen Ersatz anbieten.
Jürgen Oelkers ist Professor für allgemeine Pädagogik an der Universität Zürich und Autor des Buches »Kindererziehung im Konsumzeitalter«.