Leserin W. erzählte mir folgende Anekdote: Ihre zwei Töchter, zwei und vier Jahre alt, sitzen mit ihr am Frühstückstisch. Die Ältere, schon ein Kindergartenkind, hält der Jüngeren einen ausschweifenden Vortrag über die Dinge der Welt unter besonderer Berücksichtigung der Frage, wie man mit diesen Dingen umgehen solle, wie man also zum Beispiel esse; was man tue, was nicht; was man dürfe, was nicht. Die Kleine (W. beschreibt sie als vom Naturell her sehr entspannt, sprachlich natürlich damals altersgemäß weit weniger versiert) sitzt vor ihrem Frühstück, kleckert in aller Seelenruhe vor sich hin, hört sogar zu. Als die Große eine Atempause einlegen muss, blickt sie kurz auf und sagt: »Jawohl, Herr Pupsmann!«
Das ist allein schon deswegen eine wunderbare Geschichte, weil jeder von uns mindestens einmal pro Tag einem Herrn Pupsmann begegnet, man sieht ihn sofort vor sich: aufgeblasen, sehr bedeutend – und in einer Sekunde all seiner Würde beraubt, durch drei Wörter.
Jawohl, Herr Pupsmann!
Man muss das nicht laut sagen. Es reicht, wenn man es in passenden Momenten vor sich hin murmelt. Wenn der Chef nach hochbedeutenden Anweisungen den Raum verlässt. Wenn man den wortetosenden Aufsatz des Feuilleton-Großschreibers hinter sich hat. Wenn man im Vereinslokal zwanzig Minuten lang den Ausführungen des großen Bescheidwissers lauschen musste. Wenn beim Elternabend im Kindergarten Vater Sowieso sein Referat über die Notwendigkeit der Friedenserziehung im Allgemeinen sowie der Müllvermeidung und des ungezuckerten Tees im Besonderen beendet hat.
Übrigens: So wie Clark Kent ins Superman-Kostüm schlüpft, wenn Großes zu tun ist, wäre es schön, wenn Pupsmänner einen Pupsman-Spezialdress hätten, oder?
Jawohl, Herr Pupsmann! bedeutet jedenfalls nichts anderes als Rutsch mir den Buckel runter, ist aber deutlich treffender, einfach hundertprozentig passgenau.
Auch am Ende einer Pressekonferenz Donald Trumps ist der Ausdruck absolut angemessen, wobei man in diesem Fall schon das Schillernde des Begriffs ins Auge fassen muss. Einerseits ist Trump ja der Pupsmann schlechthin: der humorlose Wichtigtuer, der Großkotz, der Schaumschläger, die Nervensäge, der unreflektiert Eitle.
Andererseits gibt Frau W. zu bedenken, dass auch Trump seine Verachtung (der Wissenschaft, des Journalismus, der Wahrheit schlechthin) in diese Wörter kleiden könnte, indem er von seinem Hamburger aufblickte und »Jawohl, Herr Pupsmann!« tweetete, wenn ihm was nicht ins schmale Weltbild passt. In diesem Fall sei es ein anderes Wort für Fake News und ein Zeichen dafür, dass unser Mann sich auf dem Sprachniveau einer Zweijährigen bewege. Das, so W., »zeichnet ein recht düsteres Bild«. Wenn man das weiterdenke, könnte Pupsmann, so W., manchmal auch unser schlechtes Gewissen sein, »das sich so moralinsauer und rechthaberisch, aber auch irgendwie gerechtfertigt immer dann meldet, wenn man es gerade nicht hören möchte«. Ja, so könnte es sein.
Ich finde allerdings, dass sich in Jawohl, Herr Pupsmann! keine Verachtung findet, auch keine Ignoranz, kein Nichtwissenwollen. Eher ist da so ein lächelnd-zwinkerndes Nunmachmalhalblang oder: Kann sein, dass du recht hast, aber erzähl mir das zu einer anderen Uhrzeit! Jeder von uns – der eine mehr, die andere weniger – hat seine Pupsmann-Momente, in denen er alles Entspannte vergisst, sich aufbläst und versteigt, verbeißt und verrennt, doziert und predigt, aufpumpt und belehrt. Wichtig ist nur: dass man noch zu erkennen in der Lage und bereit ist, wenn es mal wieder so weit war. Und über sich selbst dann lächeln kann.
Nur die richtigen Pupsmänner merken es ja nie.