Warum ein alternder Meisterspion bald wieder im Einsatz sein dürfte

Geheimdienste sind auch nicht mehr das, was sie einmal waren, findet Axel Hacke. Für Wladimir Putin wird es also höchste Zeit, die Dinge wieder selbst in die Hand zu nehmen.

Mit großer Bewunderung verfolge ich seit eh und je die Rast- und Selbst­losigkeit, mit der Wladimir Putin versucht, aus der Welt einen besseren Ort zu machen. Aus den Ruinen des heruntergekommenen Russlands erschuf er in mühevoller Regierungszeit ein wohlstandspralles Gemeinwesen! Allein seine Unterstützung der Brexit-Befürworter ermöglichte Groß­britannien überbordende Freude auf eine glänzende Zukunft. Seine Einflussnahme auf die US-Wahlen brachte einen sehr, sehr großartigen Mann ins Amt, sodass in allerkürzester Zeit aus dem verrotteten Amerika ein Paradies wurde und den Völkern der Welt ein treuer Freund erwuchs. Vom Frieden in Syrien nicht zu reden! Zu Recht liegen diesem Mann die glänzendsten politischen Hoffnungen der freien Welt von Strache (Österreich) bis Salvini (Italien) zu Füßen.

Bedauerlicherweise gibt es Anzeichen, dass P. von Mitarbeitern umgeben ist, die nicht seinem Niveau entsprechen. Beispielsweise kam es im März im englischen Salisbury zu einem Attentat auf einen früheren Spion namens Skripal und dessen Tochter, es gelangte Nervengift zur Verwendung. Die beiden Opfer überlebten knapp, doch starb im Sommer eine unbeteiligte Frau, die sich versehentlich mit dem Stoff, der in einer Parfümflasche verborgen war, eingesprüht hatte.

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Die Londoner Regierung verdächtigte zwei unbekannte Russen der Tat. Putin selbst gab im September bekannt, man habe die zwei gefunden, an ihnen sei »nichts Besonderes und Kriminelles«, es han­dele sich um »Zivilisten«. Im russischen Fernsehen wurden sie als Petrow und Boschirow vorgestellt, sie seien als Touristen in Salisbury gewesen. Bloß konnten Rechercheure rasch nachweisen, dass es sich bei »Boschirow« um einen Geheimdienstoberst namens Tschepiga handelt, Träger des höchsten russischen Ordens als »Held der Russischen Föderation«, der in der Regel von, ähem, Putin persönlich verliehen wird.

Wobei es, wie dem Spiegel zu entnehmen war, sich nicht schwierig gestaltete, den ­beiden auf die Spur zu kommen. In der Datenbank des Moskauer Innenministeriums waren ihre Dokumente als gefälscht ge­kennzeichnet; sie trugen aufeinanderfolgende Nummern. Bitte, lernt man nicht schon in der ersten Stunde der Passfälscher-Ausbildung: Nehmt nie aufeinanderfolgende Nummern?!

Nun die Frage: Hat der große Wladimir ­Putin das verdient? Dass er als Lügner dasteht, blamiert, nur weil in seinen eigenen Behörden Napfsülzen arbeiten, die keine sachgemäß gefälschte Legende stricken können? Er kann doch nicht alles selbst machen! Er muss auch was delegieren können! Sich mal ausruhen! Seinerzeit musste er schon persönlich tauchend eine Amphore vom Meeresgrund bergen, die seine Leute dort vergessen hatten. Auch – das ist zehn Jahre her – schützte er in Sibirien mit gezieltem Schuss aus dem Betäubungs­gewehr ein Fernsehteam vor einer heranstürmenden Tigerin. (Dass die aus dem Zoo von Kharabarowsk stammte und bald an einer Überdosis Beruhigungsmitteln sterben würde, konnte er nicht wissen.)

Neben allem Segen, den er in der Politik stiftete: Er ist auch der beste Geheimdienstler der Welt, einst vom KGB ausgebildet, Superputin, Superschlapphut, die Verkörperung des genialen russischen Spions, wie man ihn in vergleichbarer Genialität nur aus Bond-Filmen kennt. Er hat einen Ruf zu verlieren, er braucht ein gutes Team. Oder werden wir bald, wenn wir nachts die Stadt durchstreifen, einen kleinen Mann in einen Gully steigen sehen, das runde, aber nun auch müde Gesicht von einer Pelzkappe verschattet, der muskulöse Oberkörper flüchtig von einer Ballonjacke getarnt? Werden wir auf die schüchterne Frage »Sind Sie’s, Gospodin, Verehrungswürdiger?« nur derbe Flüche hören? Ihn entschwinden sehen ins Dunkel der Kanäle, nach ganz unten, zu einer Arbeit, die andere für ihn tun müssten?