Leugnen wäre zwecklos: Bei diesem Thema geht es ans Eingemachte. Es geht um nichts weniger als die Zukunft der Zeitung und des Journalismus an sich. Die Trendforscher sind sich einig, dass diese Zukunft nicht gerade rosig aussieht, und als Haupt-grund nennen sie eine furchterregende Kreatur voller Aggressivität, Energie und Entschlossenheit, die drauf und dran ist, den traditionellen Journalisten überflüssig zu machen. Das ist der Blogger. Wenn Sie noch nie von der Existenz des Bloggers gehört haben, dann ist das toll, es ist geradezu großartig, es weist Sie als treuen Leser und echten Verbündeten der Zeitung aus. Das ändert aber nichts daran, dass der Blogger als solcher ziemlich siegesgewiss ist. Die Mainstream-Medien, die er kurz und verächtlich MSM nennt, beschimpft er als teuer, arrogant, träge, vorurteilsbeladen, nicht wirklich verlässlich und nicht wirklich frei. Warum, so fragt er, sollte zum Beispiel diese Magazinseite, die Sie gerade lesen, die hunderttausendfach auf tote Bäume gedruckt, von Käufern und Werbekunden finanziert und von den Redakteuren des SZ-Magazins kontrolliert wird, ausgerechnet von einem Knilch namens K. voll geschrieben werden, der dafür auch noch Geld kassiert? Warum nicht von einem be-liebigen anderen Knilch? Wa-rum überhaupt von irgendwem kontrolliert und finanziert? Und geht es nicht auch ohne die ganzen toten Bäume? Es geht. Die Blogger machen es vor. Zu Millionen und Abermillionen richten sie Internetseiten ein, die niemanden etwas kosten, aber trotzdem von allen gelesen werden können, und schreiben einfach drauflos. Ihr Name ist eine Verkürzung des Wortes »Weblog«, was »Internet-Tagebuch« bedeutet, und tatsächlich schreiben viele Blogger einfach über ihre Gedanken, Gefühle und täglichen Erlebnisse. Aber das ist natürlich nicht alles. Manche sind Experten für komplizierte Themen, und viele Leute fragen sie um Rat. Manche haben sehr pointierte Meinungen, und viele Leute lesen sie, um ihnen entweder beizupflichten oder zu widersprechen. Es gibt echte Stars unter den Bloggern. Blogger haben schon Skandale aufgedeckt, die öffentliche Meinung beeinflusst und – das tun sie besondern gern – Fehler der Mainstream-Medien nachgewiesen. Der typische Blogger operiert folgendermaßen: Er sitzt zu Hause vor dem Internet oder dem Fernseher, gern im Pyjama, und schaut zu, wie die Nachrichten bei ihm eintrudeln. Dann macht er sich ein paar Gedanken dazu, wählt irgendetwas aus, was ihm wichtig oder lustig oder absurd erscheint, würzt es mit eigenen Kommentaren und Ideen und stellt es gleich wieder ins Netz. An dieser Stelle muss man natürlich sagen, dass die Journalisten der Mainstream-Medien völlig anders arbeiten. Dass sie aus besseren Quellen schöpfen und öfter mal zum Recherchieren aus dem Haus gehen, hinein in die so genannte Wirklichkeit. Allerdings, um ganz ehrlich zu sein, nicht alle. Der Knilch namens K. zum Beispiel, der diese Seite voll schreibt, tut das meistens zu Hause – und sehr oft auch im Pyjama. Der Verdacht also, dass die Unterschiede mehr und mehr verschwinden, dass die Welt sich in eine einzige Bloggosphäre verwandelt, ist nicht ganz von der Hand zu weisen. Die Zahl der Blogger wächst täglich, man sagt, es gebe schon 60 Millionen, vielleicht auch noch viel mehr. Bloggen ist definitiv lustiger und kreativer, als einfach nur Texte von anderen zu lesen. Gegen Kreativität und Schaffenskraft lässt sich nun wirklich nichts sagen, für die Schreiber ist das toll. Und für die Leser? Für die ändert sich eher wenig. Schon bisher stürzte tausendfach mehr Text auf sie ein, als sie am Tag bewältigen konnten. In Zukunft wird es millionen- oder milliardenfach mehr sein. Dieser Überfluss wird weiterhin ungesehen ins Altpapier wandern und ungelesen in der Weite des Webs verschwinden. In diesem Sinne ein herzliches Dankeschön, dass Sie – trotz der Unmengen von Text da draußen – mal wieder bis hierher drangeblieben sind.