Man kann es bei der Ankunft am Urlaubsziel erleben, manchmal auch bei Städteflügen in der Ferienzeit: das kollektive Klatschen der Passagiere, die dem Piloten für eine sichere Landung danken wollen. Geschäftsreisende und Vielflieger lächeln über dieses Ritual, das außerhalb der Sommerreisezeit nur noch selten vorkommt.
Es wirkt wie ein Aberglaube, der sich trotz aller Aufklärungsbemühungen im modernen Luftverkehr gehalten hat, wie das Aufflackern eines irrationalen Instinkts für überstandene Gefahr – in einer Umgebung, die wie wenig andere von Berechenbarkeit, Regelkonformität und mathematischer Logik geprägt scheint. Denn auch die Klatschenden selbst haben es natürlich schon tausendmal gehört: wie umfassend die Sicherheitsvorkehrungen beim Fliegen sind, wie genau die Arbeit der Piloten kontrolliert wird, wie gering das statistische Risiko ist, tatsächlich Opfer eines Absturzes zu werden. Und doch: Das Bedürfnis, die gemeinsame Rückkehr zur Erde zu feiern, ist niemandem völlig fremd.
Die Tatsache, dass sich eine tonnenschwere Metallröhre in die Luft erhebt, nur weil ein starker Luftstrom ihre vergleichsweise winzigen Flügel in einem sorgsam berechneten Winkel umfließt, scheint jedes Mal wieder an ein Wunder zu grenzen. Diesen Gesetzen der Aerodynamik zu trauen, alle Kontrolle über das eigene Leben in die Hände eines Piloten zu legen und sich dabei in schwindelerregende Höhen zu begeben, widerspricht einem tief sitzenden Gefühl für das Machbare und Vernünftige der menschlichen Natur.
Es kann – siehe Ikarus – im Grunde nur böse enden. Wer das bezweifelt und verächtlich von den pauschalreisenden Landungsklatschern spricht, sich als Öfterflieger, Besserverdiener, Höhergebildeter überlegen fühlt, übersieht leicht, wie viel Aberglauben er selbst im Zusammenhang mit dem Fliegen akzeptiert.
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Da wäre zum Beispiel das Handyverbot im Flugzeug. Wohl wahr, manchmal vergessen wir das angeschaltete Mobilteil schlicht im Handgepäck, lassen es fröhlich weiterfunken und wundern uns hinterher, dass wir noch am Leben sind. Wer jedoch während des Flugs offensichtlich mit seinem Telefon hantiert, riskiert den Zorn, ja fast die körperliche Gewalt der Mitreisenden, die unmittelbar einen Absturz fürchten.
Wirklich entscheidend kann diese Bedrohung nicht sein – andernfalls müsste das Personal sämtliche Geräte vor dem Start einsammeln, versteckte Handys mit Messgeräten orten. Das Verbot dient eher der kollektiven Beruhigung, gemeinsam etwas für die Sicherheit zu tun – obwohl zum Beispiel das Deutsche Zentrum für Luft- und Raumfahrt längst gemeldet hat, dass sich schädliche Einflüsse der Handys auf die Bordelektronik nicht schlüssig beweisen lassen. In naher Zukunft könnte das Verbot sogar ganz fallen – und würde sich damit selbst als Ritual des Aberglaubens entlarven.
Auch die Verbannung der Nagelscheren aus dem Handgepäck, der Zwang, Minifläschchen in durchsichtigen Plastikbeuteln zu transportieren, ist nichts anderes als ein irrationales Ritual des Fliegens, ein Beleg für die genormte Alarmbereitschaft der Sicherheitsbehörden gegen eine Bedrohung, gegen die vermutlich nur individuelle Wachsamkeit hilft.
In vielen anderen Bereichen würden wir Verordnungen, die so umfassend in unser Leben eingreifen, während ihre Wirkung so wenig belegbar bleibt, nie akzeptieren. Beim Fliegen aber ist es anders, da sind alle Vorschriften auch Beschwörungsformeln, die wir sklavisch befolgen. Und wir fühlen uns gut dabei – selbst wenn wir vor den Sicherheitsschleusen wieder augenrollend eine Trinkflasche entsorgen müssen.
Wer einen Flug antritt, akzeptiert auch, dass er keine Witze mehr über Bomben und Terroristen machen darf, ohne abgeführt und stundenlang verhört zu werden. Alle Ironie, alles selbstständige Urteilsvermögen geben wir freiwillig beim Check-in ab. Im Tausch erhoffen wir uns ein bisschen Voodoo-Glück: auch diesmal diesen Wahnsinn namens Fliegen, gegen alle unsere urmenschlichen Instinkte, wieder unbeschadet zu überstehen.
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