Globalisierungsgegner

Schon sprachlich hat es der Globalisierungsgegner mit einem bei-nah unbesiegbaren Widersacher zu tun. Das Bild im Kopf zeigt sofort eine winzige Figur, die sich verzweifelt dem Gewicht des Globus entgegenstemmt – und dabei selbst im Verein mit Tausenden von Gleichgesinnten wenig ausrichten könnte. Genau darin beweist das Wort »Globalisierung« seine Eignung als Kampfbegriff für neoliberale Wirtschaftsdenker, Politiker und Firmenchefs. Es klingt nach einem Prozess, den niemand aufhalten kann, nach einem Naturgesetz von der Endgültigkeit der Schwerkraft: Die Welt wächst unaufhaltsam zusammen, ob wir nun wollen oder nicht. Wir Menschen dürfen dabei zuschauen, wir dürfen sogar, sofern wir die Stacheldrahtzäune der Mächtigen respektieren, lautstark dagegen protestieren. Nur ändern können wir natürlich nichts.Diesem Gedanken entgegenzutreten und ihn als falsch zu entlarven ist das große Ziel der Antiglobalisierungsbewegung. Und doch: Gerade in einer Chancenlosigkeit, die eigentlich nur der Feind postuliert, liegt auch ein wohliges Potenzial für gefühlten Heroismus, radikalen Protest und die Dramatik des Vergeblichen. Der simple demokratische Vorschlag, die Bevölkerung der Industrienationen von den Gefahren einer schrankenlosen Waren- und Wirtschaftswelt zu überzeugen und einen Wandel der Weltpolitik herbeizuwählen, kommt auf Versammlungen wie dem Weltsozialforum eher nicht so gut an. Und ein Mann wie »Attac«-Mitbegründer Bernard Cassen aus Frankreich, der beharrlich dazu aufruft, simple Überzeugungsarbeit zu leisten, findet selbst in der eigenen Organisation keine volle Zustimmung. Da kämpft man doch lieber fäusteschwingend gegen Windmühlen und plant spektakuläre Aktionen.Das Wort von der Antiglobalisierung ist trotzdem aus der Mode gekommen. Denn natürlich geht es nicht darum, jedwede globale Vernetzung zurückzudrehen, die beispielsweise die Computerindustrie oder das Internet mit sich gebracht haben, bedingungslos für kulturelle Provinzialität einzutreten oder die Nationalgrenzen um jeden Preis gegen Einflüsse von außen abzuschotten. Die smarteren Gegner des globalen Kapitalismus sprechen lieber von der »Alter-Globalisation«: von der besseren Globalisierung und einer besseren Welt, die möglich sein muss und die wir uns alle wünschen.Womit sie dann genau genommen auch keine Globalisierungsgegner mehr sind. Von dort ist es schließlich gar nicht mehr weit zum populistischen Konsens des Franz Müntefering, wonach die Welt zwar ständig enger zusammenrückt, man den als »Heuschrecken« titulierten Investoren aber auf die Finger klopfen kann und muss – und tschechische Hilfsarbeiter und polnische Fleischer, die sich hierzulande zu sehr breitmachen, auch wieder vom deutschen Arbeitsmarkt verjagen kann.In Wahrheit geht es weder um unaufhaltsame Prozesse noch um übermächtige Gegner, sondern um die heikle Abwägung zwi-schen staatlicher Reglementierung und unternehmerischem Freiheitsdrang: Heimische Arbeitsplätze versus Produktion im Ausland, Schutzzölle für europäische Bauern versus freie Weltmarktpreise, Wohlstandsfestung Westen versus Zutritt für alle. Hier wäre am Ende ein Bekenntnis gefragt, auf welcher Seite man wirklich steht, und das Hauptproblem der Protestbe-wegung, die sich bei jedem Gipfel der G8-Nationen formiert, ist ihre Unentschlossenheit: Selbstverständlich will man den eigenen Vorteil und die sicheren Arbeitsplätze zu Hause, aber gleichzeitig auch Brot für die ganze Welt. Das macht die Breitenwirkung, aber auch die Schizophrenie dieser Proteste aus. Symbolisch voran geht einmal mehr der Benefizrocker Bono: Als Initiator der »Deine Stimme gegen Armut«-Kampagne fordert er, dass die westlichen Regierungen Millionen von Steuergeldern für den Schuldenerlass in der Dritten Welt bereitstellen sollen – und als Steuerflüchtling in den Niederlanden sorgt er gleichzeitig dafür, dass die benötigten Steuermillionen gar nicht erst beim Staat ankommen.