Neulich rief mich eine Stimme im Traum, eine dieser Götterstimmen mit Hall aus dem Jenseits, wie sie früher auch in der Waschmittelwerbung vorkamen. »Warum, du Wurm«, donnerte die Stimme, »tust du nichts für Ruhm und Anerkennung der deutschen Hausfrau?« Ich war ertappt. Von allen Dingen, die ich nicht tat, war dies sicher das verwerflichste. Die Stimme aber setzte zu einem Vortrag an: Die Hausfrau und Mutter, dröhnte sie, sei das Rückgrat der Gesellschaft, unsere Rettung vor Überalterung, die wahre Produzentin unseres künftigen Wohlstands. Sie leiste Unglaubliches, mehr als jeder Manager, sie habe den 24-Stunden-Tag und ihre Arbeitszeiten seien so flexibel, dass selbst den gottlosen Neoliberalen ganz schwindelig davon würde. Sie sei Ehefrau, Mutter, Geliebte, Putzfrau, Köchin, Seelsorgerin, Krankenschwester, Chauffeurin und Buchhalterin in einem. Ich sagte ja, ja und nochmals ja. Aber es half nichts.»Das sagen sie alle«, grollte die Stimme. »Doch was passiert? Hausfrauen und Mütter schuften ihr Leben lang, sie schaffen Stabilität und Geborgenheit für ihre Familien, aber sie kassieren nur eine lächerliche Rente, und wenn sie mal Hilfe brauchen, gibt es katastrophal wenig Kinderbetreuungsplätze…Niemand will mehr Hausfrau genannt werden – und selbst du, Wurm, obwohl du die ganze Zeit nickst, findest das Lob der Hausfrau in Wahrheit peinlich und die Hausfrau als solche langweilig!« – »Nein!«, schrie ich, von Panik geschüttelt, »niemand darf die Hausfrau als solche langweilig finden!« Aber es half nichts, es war ein Traum, in dem man nicht lügen konnte, die Wahrheit drängte aus mir heraus, ich würgte daran und schnappte nach Luft – und erwachte schweißgebadet.. Als ich wieder bei klarem Verstand war, dachte ich: Die Nazis! Sie sind schuld daran, dass uns das Hohelied der Hausfrau und Mutter so schwer fällt. Wir rufen »Anerkennung! Große Aufgabe! Vorbildfunktion!«, aber es schallt, als Echo aus der Vergangenheit, immer nur »Heilige Pflicht! Schlachtfeld der Frau! Mutterkreuz!« zurück. Ist es das? Reicht das als Entschuldigung? Eigentlich nicht. Andere Dinge, die die Nazis auch wichtig fanden, wie der Wald oder die Autobahn, haben sich imagemäßig längst erholt. Ein Stichwort wie »Waldsterben« reichte aus, um uns jahrelang in Hysterie zu versetzen, von einem »Hausfrauensterben« hat man dagegen noch nie etwas gehört. Dabei starben, das Statistische Bundesamt bestätigt es, allein im Jahr 2003 genau 3558 Frauen in diesem Land bei der Hausarbeit. Abgesehen davon, dass sie das Rückgrat der Gesellschaft sind und Unglaubliches leisten, leben sie also auch wirklich gefährlich.Zuletzt jedoch, übrigens beim Einräumen der Spülmaschine, traf mich die Erkenntnis wie ein Schlag mit dem Nudelholz: Das Image der Hausfrau, es ist in Wahrheit, wenn wir ehrlich sind…noch immer zu gut. Hausfrauen sagen Sätze wie: »Die Kinder brauchen mich« – und haben automatisch Recht. Sie spielen moralisch in einer anderen Liga. Sie kennen keine Schwächen, meistern einen 24-Stunden-Tag, der jeden Manager in die Knie zwingen würde, und bleiben dabei doch immer…tapfer, positiv und gut gelaunt. Und genau das ergibt, schon Aristoteles merkte es, als er die Wurzeln des Dramas untersuchte: Langeweile. Wahre Heldinnen sehen anders aus: Sie sind fehlbar, wütend, moralisch nicht gefestigt, am Rand des Nervenzusammenbruchs, verzweifelt.Und siehe da: Just in dem Moment, da die ersten Hausfrauen auftauchen, die fehlbar, wütend und verzweifelt sind, da die Fernsehserie Desperate Housewives die Welt erobert und die »Super Nanny« kommt, weil Mütter öffentlich an ihren Kindern verzweifeln…ist die Langeweile auf einmal wie weggeblasen. Die neue verzweifelte Hausfrau ist Trendsetterin und Quotenkönigin, sie kämpft ihren Kampf, stellvertretend für uns alle, sie erlaubt sich zu fallen, aber sie steht wieder auf – und, ja, sie leistet nach wie vor Unglaubliches. Ich dagegen sitze im Büro, zusammen mit anderen Langweilern, und mache auf tapfer, positiv und gut gelaunt. Ich gähne leise und träume von Heim, Herd und Vorstadt. Nur dort, da bin ich sicher, tobt seit Neuestem das Leben – und zwar so, wie es wirklich ist.