Selbermachen

Nicht fernöstliche Gottheiten, sondern Handarbeiten sind das neue Mantra unserer Stars.

Das Imageproblem des Selbermachens dürfte ungefähr so alt sein wie die Menschheit selbst –beziehungsweise die Unterteilung der Menschheit in Herren und Knechte. Denn natürlich war jemand, der in der Steinzeit messerscharfe Muschelkalk-Speere zurechtklopfen und schmackhafte Kreaturen damit erlegen konnte, nicht schlecht dran. Noch besser erging es allerdings dem, der andere für sich klopfen und jagen ließ und nur noch den täglichen Dienstplan an die Höhlenwand malte. Seither streben wir danach, von dem einen Seinszustand in den anderen zu wechseln, und nebenbei haben wir die Massenproduktion und die Dienstleistungsgesellschaft erfunden, die es vielen von uns erlaubt, die Früchte fremder Arbeit zu konsumieren und uns dabei ein bisschen mehr wie Herren zu fühlen.

Wer danach noch darauf beharrte, gewisse Dinge selbst zu machen, wie das Nähen oder Stricken von Kleidungsstücken, das Bauen von Möbeln oder das Schlachten von Haustieren, wurde vielerorts ziemlich schräg angesehen. Schon klar, es war praktisch und billig, und es gehörte zu den Tugenden, mit denen man gut über einen Kriegswinter kommen und zur Not sogar einen Atomschlag überleben konnte. Aber ganz ehrlich: wozu? Je mehr die Preise für Massenware fielen, desto hohler musste das Argument vom Geldsparen klingen. Und irgendwann erschienen die Hausfrau mit ihren Schnittmustern und der Heimwerker im selbst entworfenen Bunker doch reichlich paranoid – ohne Verständnis für die Zivilisation und auf eine Autarkie bedacht, die in Wahrheit als Misstrauensvotum gegen die Gesellschaft gedeutet werden musste. Außerdem stand man im Verdacht, mit dem hingebungsvollen Werkeln im eigenen Heim nur kläglich vor den Verhältnissen der Außenwelt zu fliehen.

Aus Amerika, woher auch sonst, kommt nun aber eine neue Bewegung des Selbermachens. Computerfrickler, Strickerinnen, Goldschmiede, Do-it-yourself-Amazonen und so fort haben sich zur so-genannten Crafting-Bewegung zusammengeschlossen, die zwar auch die Tricks und Techniken ihrer Vorväter und Urmütter adaptiert, das Ganze aber mit einer völlig neuen Ideologie versehen hat. Hippie-Selbstverwirklichung, Sekten-Genügsamkeit und das Pionierideal der allwissenden Hausfrau formen sich um zu Verbindungen wie dem »Revolutionären Nähzirkel« und der »Kirche des Handwerks«.

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Den Grundgedanken erklärt Jean Railla, mit ihrer Website getcrafty.com eine Pionierin der Bewegung, so: Traditionelle Hausarbeit sei wie Led Zeppelin, »perfekt arrangiert, talentiert, aber hoffnungslos altbacken«, das neue Crafting dagegen sei Punk – vielleicht dilettantisch, dafür aber echt, einfach und wirkungsvoll und vor allem randvoll mit guter Laune. Trendzeitschriften wie Make: und Craft: verleihen diesem Gedanken einen neuen, hippen Look, ein Online-Marktplatz nur für Selbstgemachtes namens etsy.com verzeichnet exponentielle Zuwachsraten, und im aktuellen Film der Coen-Brüder baut sogar George Clooney seine eigene Sexmaschine im Hobbykeller.

Globalisierungs- und Kapitalismuskritik, Boykott von Großkonzernen, Fair-Trade-Ideen und ein neuer Feminismus vermischen sich hier auf wundersame Weise zu einem Modell der Gegenökonomie, wo Einzelstücke und Sammler des Individuellen, Kreativität und Sinnsuche zum Kaufen und Gekauftwerden zusammenkommen. Nicht weniger als ein »Aufstand der Massen gegen die Massenproduktion« sei das, konstatieren die Autoren Holm Friebe und Thomas Ramge, die dem Phänomen in ihrem neuen Buch Marke Eigenbau auf den Grund gehen. Und selbst ein Bollwerk der deutschen Handarbeits-Spießigkeit wie der Burda-Verlag mischt dabei schon heftig mit – die Schnittmuster-Website burdastyle.com trägt in den USA bereits den irren Untertitel Open Source Sewing.

Keine Frage, nun gilt es top-aktuell und spaßorientiert die eigenen verborgenen Fähigkeiten zu entdecken, und selbst der alte Autarkie-Gedanke kann momentan ja nicht schaden. Sollte die globale Finanzkrise noch ein wenig schlimmer werden, die letzte Sparkasse dicht machen und die Zivilisation zusammenbrechen, sind die neuen Selbermacher jedenfalls bereit.

Foto: dpa