Starbucks

Die Kaffehauskette war immer auch ein Symbol für die USA. So auch im Niedergang.

Wirkt es nur so – oder haben wir gerade tatsächlich mehr Ende als Anfang? Die Nachricht jedenfalls, dass der Gewinn von Starbucks im dritten Quartal 2008 um fast 100 Prozent eingebrochen ist, dass sich der Aktienwert des Unternehmens halbiert hat, dass die Finanzkrise die Teuertrinker dort besonders erwischt, dass der Kaffeeriese Filialen schließt und seine globale Expansion erst einmal gestoppt scheint – diese Nachricht trifft gerade auf ein Lebensgefühl, das im dauernden Verabschieden begriffen ist. Banken gehen, Dividenden gehen, Opel steckt in der Krise und womöglich geht bald die ganze Autoindustrie in die Knie: Das ist ein Realitätsschock. Ein Kulturbruch im wabernden Strom unserer Zeit. Und besonders gut Wabern ließ es sich eben mit Wireless LAN, einem Grande Latte und in Gesellschaft all der anderen Schaumschläger bei Starbucks.

Die Gegenwart schien ausgehebelt dort, die Ziele verschwammen, es ging um Projekte, die weit am Horizont warteten und in ihrer Selbstverliebtheit fast einen onanistischen Charakter hatten. Starbucks war der virtuellste Raum, den man wirklich betreten konnte, denn nichts war echt hier und alles erfunden: Die Kreativität war vorgegaukelt, die Gemütlichkeit war teuer erkauft, die Gerechtigkeit war ein vages Versprechen, denn nur sechs Prozent des Starbucks-Kaffees trugen 2006 das Fair-Trade-Siegel – Starbucks wurde von Globalisierungsgegnern wiederholt dafür kritisiert, dass es die Bauern in Äthiopien oder Kenia nicht viel weniger ausbeutete als die anderen Kaffeebauernausbeuter des Westens. Die Krise von Starbucks ist damit auch eine Krise des westlichen Selbstverständnisses – eine Art »imperial overstretch«, wie ihn der Historiker Paul Kennedy schon 1987 dem amerikanischen Imperium voraussagte und wie er nun auch Starbucks erwischt hat. Es sind dies die Endtage eines amerikanischen Universalanspruchs auf Sicherheit und Wohlstand, es ist dies die Übergangszeit zum neuen multipolaren Modell einer Welt, die ihr eigenes Gefüge hat und auch ihr eigenes Getränk: Tee.
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Jeder Chinese verbraucht im Durchschnitt 20 Gramm Kaffee pro Jahr, jeder Inder 90 Gramm. Die Amerikaner dagegen 4,2 Kilogramm, die Italiener 5,7, die Deutschen 6,6, Spitzenreiter weltweit sind die Finnen mit 11,4 Kilogramm pro Jahr. Tee ist das Getränk der neuen Weltmächte China und Indien, Tee ist das Getränk eines neuen Lebensgefühls und Lebensstils. Weniger scharf und dafür sanfter, weniger verbrannt und dafür wässriger, weniger aggressiv und dafür mehr entspannt, weniger westlich und dafür mehr asiatisch, weniger geputscht und dafür mehr geflusht. Dass Tee politisch sein kann, das muss man Amerikanern ja nicht sagen, die verdanken dem Tee immerhin ihre Unabhängigkeit von England. Und dass Tee auch in unseren Tagen politisch sein kann, das zeigt der erste Präsident eines postnationalen Amerikas, Barack Obama, der als Teetrinker bekannt wurde und schon während des Wahlkampfs aus den Reihen seines Konkurrenten John McCain dafür kritisiert wurde. Nur Menschen wie Obama, sagte etwa McCains Kampagnen-Chef Rick Davis, würden diesen »organischen Aufguss« bestellen: »Black Forest Berry Honest Tea«.

Tee also als elitäres und trotzdem ehrliches Getränk – und Ehrlichkeit als Vorwurf, ungefähr gleichzusetzen mit Naivität. Nun sagen manche, dass wir gerade mal wieder, zum ungefähr 17. Mal in den letzten Jahren, das Ende der Ironie erleben, dieser Urfeindin der Naivität. Wenn aber überhaupt etwas zu Ende geht in diesen angstvollen Zwischentagen, in denen die Schockwellen der Finanzkrise zu spüren sind, wir aber immer noch auf den Horizont starren, um zu sehen, wann nun endlich die Tsunamiwelle vor uns auftaucht und unseren Job, unser Haus, unsere Kaffeetasse mitreißt – wenn etwas zu Ende geht, dann eben das Zeitalter der westlichen Kaffeedominanz mit Starbucks als Symbol. Und wenn diesem Ende nun sogar ein Anfang innewohnt, dann verbindet sich der, wie so vieles, mit der Hoffnung auf Barack Obama. Tee ist nicht das Getränk einer besseren Welt. Aber Tee ist das Getränk einer anderen Welt. »Drink for Change«, so wurde im Internet für den Obama-Tee geworden: Eine Mischung aus afrikanischem Red Bush Rooibos, mit nur einer fruchtigen Ahnung von Hawaii. Fünf bis sieben Minuten ziehen lassen.

Foto: ddp