Pech für die Marketingleute, ausgerechnet dieses Jahr für den Launch einer revolutionären Neuentwicklung in der Herrenkosmetik ausgewählt zu haben: das 72-Stunden-Deo. Wer hätte auch ahnen können, dass im Sommer 2011 72-Stunden-Wollhandschuhe erfolgreicher gewesen wären? Und doch: Die Zeit war reif, das 48-Stunden-Deo Schnee von vorgestern (auch wenn die Firma es derzeit geschmackssicher noch mit einer Kampagne gegen »vorzeitigen Schweißerguss« anpreist), das 72- und inzwischen sogar das 96-Stunden-Deo waren marktreif und bereits von mehreren Herstellern ins Rennen geschickt. Fast alle nennen sich grimmig
»Xtreme« oder »Stress Resist«, der Roll-on von Garnier sieht aus wie eine Handgranate – keine Frage, hier ist eine neue Eskalationsstufe im Krieg gegen den Schweiß erreicht.
Natürlich ergeben sich daraus einige Fragen. Die erste: Ernsthaft? Ein 72-Stunden-Deo? Die zweite: Für wen bloß? Selbst wenn man mit einiger Sicherheit davon ausgehen kann, dass eine gewisse Zahl von Männern die Vorstellung attraktiv findet, sich drei Tage nicht zu waschen – sind das nicht haargenau dieselben Männer, die ein Deo ohnehin für überflüssig halten? Laut Umfrage benutzen 31 Prozent der Männer nie eins – aber wer weiß, vielleicht haben sie ja nur auf eines gewartet, das es wirklich bringt. Möglicherweise haben wir es hier mit einer besonders fortschrittlichen Käuferschaft zu tun, die Wasser und Seife schon immer als steinzeitlich verachtet und nur auf die Erfindung der chemischen Reinigung gewartet hat, als die sich die neuen Power-Deos dank Silbermolekülen und einer Breitband-Desinfektionsbatterie präsentieren.
Den Hang zur grotesken Aufrüstung gibt es natürlich auch in anderen Bereichen der Männerkosmetik. 5-Klingen-Rasierer sind längst Standard, die ersten 6-Klinger drängen auf den Markt, das Prinzip Übertrumpfen – »Immer zweimal mehr wie du« – hat sich von der Straße in den Badezimmerschrank verlagert. Das Hochleistungs-Deo ist vielleicht nur der Glaube daran, dass stärker besser ist – mehr PS in der Sprühdose, auch wenn man sie so wenig braucht wie einen 2,8-Tonner mit Bullenfänger auf dem Inneren Ring. Da sitzt man dann im Stau und träumt von einem Leben fern jeder Dusche: in der Westwand des K2, auf Walfang vor den Färöern oder bei der Rallye Paris–Dakar. Kann ja passieren, besser, man ist gerüstet. Der nächste logische Schritt ist die 5-Tage-Unterhose, damit man nicht oben wie ein Veilchen und unten wie ein Iltis riecht. Die Zone dazwischen? Pah. Dreck bröckelt nach fünf Tagen von allein, und wenn nicht, kratzt man ihn mit dem brandneuen Xtreme-120-Stunden-Spatel ab.
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