Ich weiß nicht, warum, aber ich höre einen Satz immer öfter in letzter Zeit: »Ich habe wieder mit dem Reiten angefangen.« Erst neulich hat eine Freundin von mir bei einer Party stundenlang von ihrem neuen Hobby geschwärmt. Diese Freundin, Mitte dreißig, verheiratet, erfolgreich im Beruf, hatte seit Jahren kein Pferd mehr aus der Nähe gesehen, aber neuerdings ist sie jede freie Minute im Stall. Warum denn bloß?, wollte ich wissen, da zuckte sie mit den Schultern und sagte: »Ich hatte einfach wieder Lust darauf.« Es ist genau dieses »wieder«, das ich nicht verstehe. Ich habe ja begriffen, dass fast alle Frauen als Mädchen eine Pferde-Phase hatten. Kinder mögen Tiere ja generell ganz gern, aber dieses spezielle Verlangen tritt mit einer gewaltigen Kraft in das Leben eines Mädchens: der Wunsch, sich um ein Pferd zu kümmern, es zu pflegen, es zu reiten. Vielleicht hat es mit Macht zu tun, mit der wahnwitzigen Idee, ein so viel größeres Lebewesen zu beherrschen. Vielleicht auch nur mit den großen Augen, mit denen einen Pferde verständnisvoll anschauen, ohne auch nur irgendwas zu verstehen.
Vielleicht, nein, ziemlich sicher liegt es auch an dem romantischen Bild, das Mädchenliteratur und -magazine vermitteln: Die Reitstallwelt wird dort dargestellt als elternfreie Zone der Anarchie, wo aber ganz selbstständig Verantwortung übernommen wird und in dem das toughe Mädchen gewinnt – immer wieder wird ein Prinzesschen aus reichem Haus, das sich davor ekelt, den Stall auszumisten, entweder vergrault oder bekehrt. Am Ende des Tages liegt man im Heu und kichert über irgendetwas, oder ein Fohlen wird geboren.
Es ist also einigermaßen nachvollziehbar, warum Mädchen in den Pferdestall wollen. Aber erwachsene Frauen, die dieses Hobby jetzt wiederentdecken? Da müssen es andere Reize sein. Verantwortung haben sie in dem Alter schon zur Genüge. Macht meist auch, einen Freundeskreis ebenfalls. Was ist es also? Was bringt Frauen dazu, das Risiko in Kauf zu nehmen, abgeworfen zu werden, sich Tritte, Bisse einzufangen, sich diesem Geruch auszusetzen, den man fast nicht mehr aus den Haaren kriegt? Ist es diese neue Lust auf Natur, auf das Unverfälschte, das Urtümliche? Auf Draußensein, auf Wald? Die Verbindung mit dem Tier? Wollen sie wieder jung sein, zurück zu dieser Zeit, als sie Mädchen waren, wollen sie anknüpfen an vergessene Gefühle? Das Freiheitsgefühl auf endlosen Wiesen? Ist es der Reitlehrer, der Stallbursche, der Gedanke an Sex im Stroh? Geht es um Status, wollen sie einen auf reiche Lady mit Pferd machen? Ich würde gern einen Kaffee trinken gehen mit meiner Freundin und über ihr persönliches Reit-Revival sprechen. Aber leider sehe ich sie kaum noch in letzter Zeit. Sie ist ja jede freie Minute im Stall.
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