Es gibt keine Aussage, keinen Artikel über Jürgen Klopp, in dem nicht sofort die Wörter »sympathisch« und »locker« fallen würden. Spätestens seit seinem Wechsel nach Dortmund ist er der Prototyp einer modernen Trainergeneration. Die alte Figur des autoritären Trainers, so die übereinstimmenden Kommentare, sei ein Auslaufmodell; im Gegensatz zu Magath oder Van Gaal würden die Jüngeren wie Tuchel, Dutt und vor allem Klopp auf Augenhöhe mit ihren Spielern arbeiten und wissen, dass es eher auf Kommunikation und Vertrauen als auf Autorität ankommt.
Aber ist dieses Bild von Jürgen Klopp wirklich richtig? Zeigt sein Beispiel nicht, was sich in anderen Arbeitszusammenhängen schon länger etabliert hat: dass Einfühlungsvermögen und Macht keine Widersprüche mehr sind, sondern das eine zur Optimierung des anderen dient? Klopp stellt sein Verhältnis zur Mannschaft als eines unter Kumpels dar; er nennt die Spieler penetrant »meine Jungs« und lässt sich von ihnen mit seinem Spitznamen »Kloppo« anreden. Freundschaft und Euphorie sind die Antriebskräfte der Arbeit und erzeugen eine scheinbar machtfreie Sphäre - doch gleichzeitig stellt Klopp immer wieder klar, dass er jede charakterliche Abweichung gnadenlos sanktioniert. »Arschlöcher werden bei uns sofort verkauft, da kann einer noch so überragend kicken«, heißt einer seiner Standardsätze.
Ohnehin ist Klopp am ehesten von seiner Sprache her zu fassen. Er sagt »Kiste« statt »Tor«, »Truppe« statt »Mannschaft«, und überhaupt ist alles in Dortmund »eine überragende Geschichte«. Für die hemdsärmelige Eloquenz seiner Rede wird er geliebt. Doch unter ihrer Oberfläche verbirgt sich eine Schicht kalter, fast despotischer Autorität. Es beginnt damit, dass er stets »wir« sagt, wenn er über Maßnahmen und Entscheidungen referiert, die er alleine trifft. Und es endet bei der Bezeichnung »Arschloch« für alle, die vom vorgegebenen Pfad der Euphorie abweichen - in einem Kosmos, in dem ja nur er die Definitionsgewalt darüber hat, wer Arschloch ist und wer nicht.
Klopp kommt nicht ohne Macht aus; er weiß nur, dass sie desto effizienter wirkt, je weniger sie mit den Mitteln der Unterdrückung arbeitet. Anstelle von Befehl und Gehorsam tritt eine komplexere Allianz aus Leidenschaft, Loyalität und Drill. Louis van Gaal etwa siezt seine Spieler; das erzeugt ein Abhängigkeitsverhältnis auf dem Platz, außerhalb aber Distanz und Freiheit. Klopp dagegen will den ganzen Menschen. Würde man sechzig Jahre nach Adorno den Charakter der »autoritären Persönlichkeit« neu zu fassen versuchen, der Dortmunder Trainer wäre ihr beispielhafter Repräsentant.
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