Die Urlaubszeit bringt ein seltsames Phänomen an den Tag. Wenn die Leute ihr Techno-Arsenal auspacken, also Digitalkameras, Handys, Laptops, wirken viele Geräte wie frisch aus der Technikmarkt-Vitrine: Gerade mal die Plastikbox ist entfernt worden, ansonsten tragen Camcorder und Co. stolz ihre inneren Werte auf Aufklebern spazieren, die einfach am Gerät gelassen wurden. »10fach optischer Zoom«, »14 Megapixel«, »7,6 cm Display«, »Intel inside«, »Pentium 4«, »Windows 7« (in besonders tragischen Fällen: »Windows 98«) – es wird einem ganz etikettenschwindlig dabei. Wie bizarr, Verkaufshilfen auch nach dem Kauf am Produkt zu lassen – als ob man ein Oberhemd mit allen Kragenpappeinlegern, Vorderfrontplastikstraffern, Stecknadeln in den Manschetten und Anhängern am Knopfloch (»Garantiert 100 % bügelfrei!«) trüge.
Warum lassen die Leute die Etiketten an technischen Geräten dran? Sind sie schlicht zu faul, sie abzuknibbeln? Haben sie Angst, dass beim Ablösen was vom kostbaren Mattsilberlack mit abginge und blankes Plastik hinterließe? Dass man irgendetwas bedenklich Ätzendes wie Spiritus aus dem Drogeriemarkt besorgen müsste, das dann bis zum nächsten Umzug sinnlos unter der Spüle stünde? Auch die einschlägigen Hausfrauentipps versagen ja in diesem Fall: »Lästige Etiketten lassen sich ganz leicht mit Margarine entfernen.« (Nur: Wie lässt sich lästige Margarine vom Laptop entfernen?) »Falls es mal besonders hartnäckig werden sollte: Erst den Sticker mit dem Föhn erhitzen und dann mit Öl einreiben.«
Da die meisten Etiketten dieser Tage aber völlig rückstandsfrei ablösbar sind, muss etwas anderes dahinterstecken. Vielleicht ist es die Ahnung, dass das neue Gerät so fix durch ein noch neueres, besseres ersetzt werden wird, dass sich das Schildchenentfernen gar nicht lohnt, oder das trotzige Beharren, jetzt zumindest mal zehn Minuten lang auf dem Höchststand der Technik zu sein, mit den maximalsten Megapixeln und dem allerstabilsten Bildstabilisator inside. Am Ende ist es vielleicht auch nur der Versuch, per Schonbezug zumindest ein paar Quadratzentimeter des neuen Spielzeugs vor der bösen verkratzenden Welt zu schützen. Dafür spräche auch die nicht minder merkwürdige Mode, dekorative Plastikfolien, sogenannte Skins, auf Laptop und Handy zu kleben. Vom Design her irgendwo zwischen Fototapete und dem, was man früher auf Harley-Tanks geairbrusht hat, sind Skins das Hightech-Äquivalent der Pril-Blume: der rührende Versuch, Massenware durch weitere Massenware zu individualisieren. Und zumindest einen kleinen Teil unseres kratzeranfälligen Lebens unter einem schützenden Klebepflaster heil und unberührt zu wissen.
Foto: Mirjam Klessmann