Das Bad ist der heikelste Teil jeder WG – und verrät erstaunlich offenherzig, wie seine Bewohner so ticken. Darf man sich zur Rushhour zwischen acht und neun Uhr morgens rasieren, föhnen, schminken, während ein anderer noch duscht? »Ja« kann heißen: Die Mitbewohner müssen wirklich dringend in die Vorlesung / zur Arbeit oder halten Privatsphäre für überbewertet. Bleibt die Antwort dieselbe, egal ob ein Mann oder eine Frau hinter dem Duschvorhang steht? »Nein« kann heißen: Die Bewohner müssen nicht ganz so dringend in die Vorlesung / zur Arbeit, sind doch nicht so locker oder beides. Die Urfrage im WG-Klo: Pinkeln im Sitzen oder auch im Stehen? Bei 1: Hier wohnen mehr Frauen als Männer, bei 2: umgekehrt. Noch aufschlussreicher aber ist, ob die Bewohner die entsprechende Regel mit einer Art Humor auf einem Schild den Besuchern kundtun.
Findet sich kein einziger Kalkfleck auf den Armaturen, leistet sich die WG vermutlich eine Putzhilfe. Fläschchen und Flakons am Badewannenrand: Die Mitbewohner entspannen sich gern oder sind leicht hypochondrisch (bei Erkältungsbädern). Kalkspuren und Kerben in der Wanne zeugen von Partys und davon, dass in der Küche ein zu kleiner Kühlschrank steht. Unifarbene Handtücher und ein Mülleimer aus Chrom statt aus Plastik: Die WG ist erwachsen geworden (oder hier wohnen Designstudenten). Das Bad ist nie frei: Es macht es den Bewohnern nichts aus, sich immer wieder den intimen Dingen und dem Schmutz der anderen auszusetzen. Es ist dann eine gute WG.
(Fotos: Lukasz Wierzbowski, Ferm LIVING, Bertjan Pot, Lexon)