Schon der erste Schritt in eine WG zeigt, dass »Flur« der falsche Begriff für das ist, was sich da erstreckt: ein Kanal, in dem nur die Schuhe festzustecken scheinen. Plus natürlich die Zettel der Lieferdienste an der Wand. Hier will keiner rein, hier will jeder nur durch. Es ist neutraler Boden; es ist auch das Terrain, das man einnimmt, wenn Streit ausbricht um den Putzplan, die Miete, die Joghurtbecher - solche Dinge werden hier ausgefochten. Sonst dient er der verborgenen Kommunikation: Fremde Schuhe vor der verschlossenen Tür des Mitbewohners, das heißt ja viel (oder vielleicht auch nur, dass die Eltern da sind). Zum echten Flur wird der Durchgang allein bei Festen. Dann wuchert das Leben irgendwann aus der Küche hinaus, dorthin, wo sich die Menschen aneinander vorbeidrücken, bis einer in die Batterie halb voller Bierflaschen neben der Toilettentür torkelt, weil er die Masse nicht vor den Polizisten am Eingang zurückweichen sah. Dann dauert es nicht lange, und keiner findet mehr seine Jacke in den Klamottenhaufen im Flur. Erst wenn der Morgen graut und der letzte Gast davonschwankt, liegt der Flur wieder leer, verlassen. Ein Niemandsland.
(Fotos: Fantastic Frank Immobilienagentur, fotografiert von Martin Wichardt & gestylt von Maria Kangärde, Tabouret Cabanon by Le Corbusier - Cassina I Maestri Collection)