"Ich sehe mich als Bühnenbildner"

Wer den französischen Designer Jean-Marie Massaud im Pariser Osten besucht, macht eine Reise in die Vergangenheit.

Wer den französischen Designer Jean-Marie Massaud im Pariser Osten besucht, macht eine Reise in die Vergangenheit: Der Weg zu seinem Atelier führt durch das alte Immigrantenviertel im 20. Arrondissement, vorbei am Friedhof Père Lachaise. Im überdachten Innenhof einer alten Glasfabrik spielt Massauds Team Tischtennis in der Mittagspause – auf der Straße gegenüber bieten Fleischer frischen Hammel an.

Das minimalistisch eingerichtete Atelier mit schwarzem Holzfußboden und weißen Wänden befindet sich im Hinterhof. Von der Decke hängen wolkenartige Moosgebilde, der Hof ist von Bambus umgeben. Zwischen Prototypen wie der knollenartigen Sitzgelegenheit »Truffel« für den Hersteller Porro und zerbrechlich wirkenden Stühlen mit zierlichen Beinen erklärt Jean-Marie Massaud sein Design. »Ich sehe mich als Bühnenbildner, der Mensch und Umgebung in Einklang bringen möchte, ich entwerfe nicht nur einfach Produkte.«

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Viele seiner Kreationen wirken fast schwerelos. Diese Leichtigkeit war es auch, die er bei seinem aktuellen Projekt, dem Tisch »Synapsis Square«, im Kopf hatte, den er im April in Mailand für Porro vorstellt. Eine dünne Tischplatte in quadratischer Form balanciert auf extrem dünnen Metallverstrebungen. »Der Tisch sollte keine schwere, massive Struktur haben, sondern extrem reduziert sein«, sagt Massaud. Optisch gesehen nimmt er dadurch wenig Platz weg.

Massaud entwirft alles, von Tischen, Bürostühlen, Lampen und Geschirr über Luxusboutiquen bis hin zu Hochhäusern. Er arbeitete einige Zeit bei Philippe Starck, dessen Vielseitigkeit er bewundert. Eigentlich wollte Jean-Marie Massaud aber Erfinder werden, was man seinen Entwürfen bisweilen ansieht. Zwei weiße futuristische Prototypen in Massauds Büro fallen besonders auf. Ein U-Boot, sein erstes Designobjekt, und »Manned Cloud« (»bemannte Wolke«), ein moderner Wiedergänger des Luftschiffs, gedacht als Luxushotel der Zukunft.

Der Franzose arbeitet als Designer für Firmen wie Cappellini, Cassina, Baccarat, Lancôme und Renault, aber auch als Architekt. Zurzeit entsteht im mexikanischen Guadalajara ein Fußballstadion unter seiner Regie, das kraterförmige »Volcano Stadium«. Wie überhaupt vieles bei ihm der Natur entlehnt zu sein scheint, ob Kerzenskulpturen für B&B Italia, die aussehen wie riesige Steine, oder Sofas in Flügelform, wie »Aspen« für Cassina.

Wasser fasziniert den leidenschaftlichen Taucher besonders, was auch die Taucheruhr an seinem Handgelenk verrät. »Die Welt der Meere ist magisch. Da fühle ich mich schwerelos, das bringt mich auf Ideen.« Das einzige Produkt aus eigener Hand in seiner Privatwohnung ist eine große Badewanne in Türkis- und Grüntönen. Ob er Objekte entwirft, Badezimmer oder futuristische Bauten – eines steht für ihn immer im Vordergrund: »Ich will Designfortschritt in Harmonie mit unserer Umwelt.« Sein neuester Beitrag dazu: eine Schreibtischlampe, deren Energieleistung nur drei Watt pro Stunde beträgt.

Jean-Marie Massaud, 41, ist Architekt und Designer. Er arbeitet für Hersteller wie Armani, B&B Italia, Hansgrohe oder Renault.
Aktuelles Projekt: Synapsis Square, die quadratische Weiterentwicklung des ovalen Tischs Synapsis für den Hersteller Porro.