»Ein Freund hat mich das dritte Wochenende in Folge gefragt, ob er auf meiner Gästecouch übernachten kann. Ich habe prinzipiell Platz, aber es ist natürlich ein Einschnitt in die Privatsphäre und ein Organisationsaufwand. Darf ich die Selbstverständlichkeit der Frage schon als unverschämt empfinden, oder ist es mein Problem, wenn ich nur schwer Nein sagen kann?« Gregor M., München
Fragen nach dem Überreizen der Gastfreundschaft lassen sich üblicherweise gut mit Sprichwörtern beantworten. Gerne auch als Reim: »Ein Gast ist wie ein Fisch, er bleibt nicht lange frisch.« Nicht so schön reimend, jedoch mit klarer Zahlenangabe: »Ein Gast ist wie ein Fisch, ab drei Tagen stinkt er.« Oder, weniger bekannt, dafür abstufend: »Den ersten Tag ein Gast, den zweiten eine Last, den dritten stinkt er fast.«
Allerdings hilft das hier nur begrenzt weiter, das wiederholte Erscheinen von Kurzzeitgästen findet im Sprichwort keine Erwähnung. Kaum verwunderlich, führt man sich die Beschwerlichkeit des Reisens in früheren Zeiten vor Augen. Wenn der Weg schon mehrere Tage in Anspruch nimmt, wird man kaum mehrfach ab- und kurz darauf wieder anreisen. Der Stakkato-Übernachtungsgast dürfte deshalb eine Neuerscheinung in Zeiten von Easy-Jet-Set und Wochenendticket sein, auf jeden Fall deutlich jünger als die Sprichwörter.
Was also tun? Die Nächte innerhalb einer bestimmten Frist aufaddieren? Oder die Metapher der unsachgemäßen Lebensmittellagerung gleichermaßen modernisieren und es so betrachten wie das mehrfache Auftauen und Wieder-Einfrieren? Fäulnis und damit Gestank werden dadurch zwar verzögert, der Qualität, speziell von Fisch und Fleisch, ist es dennoch abträglich. Dann würde es sich bei Ihrem Freund um eine Art Gammelfleisch-Gast handeln, und dass man Derartiges nicht haben will, sollte jedem, sogar dem Gast selbst, klar sein. Darauf aufbauend, würde ich differenzieren. Es gibt Freunde, die mir jederzeit und fast unbegrenzt willkommen sind. Nur kennen die mich so gut, dass sie genau wissen oder spüren, falls sie tatsächlich irgendwann zur Last fallen. Und bei denen, die das nicht bemerken, kann man ab dem dritten Mal kühl auf seine Privatsphäre verweisen; so wie eh und je ab dem dritten Tag.
Literatur:
Thesaurus proverbium medii aevi = Lexikon der Sprichwörter des romanisch-germanischen Mittelalters, herausgegeben vom Kuratorium Singer der Schweizerischen Akademie der Wissenschaften. Begründet von Samuel Singer, de Gruyter Verlag, Berlin, Band 3 Erbe – freuen, 1996, S. 269 Mit weiteren Verweisen auf lateinische Nachweise und das Spanische
Die Sprichwörter und sprichwörtlichen Redensarten der Deutschen: Nebst den Redensarten der Deutschen Zech-Brüder und Aller Praktik Großmutter, d.i. der Sprichwörter ewigem Wetter-Kalender. Gesammelt und mit vielen schönen Versen, Sprüchen und Historien in ein Buch verfasst von Dr. Wilhelm Körte, F.A. Brockhaus Verlag, Leipzig 1837, S. 131
Dort, bei Körte, findet sich unter der Nummer 1775 (S. 130) und dem Sprichwort „Dreitägiger Gast / Ist eine Last“ auch eine interessante Erklärung für das wiederholte Auftreten der Zahl „drei“ in diesem Zusammenhang: „dies Wort ist uraltdeutsch, nicht aber im ungastlichen, sondern im politischen Sinne zu nehmen. Nach der ältesten Verfassung unserer Altvorderen ward der Wirth für seinen Gast und dessen Thun und Lassen verantwortlich, wenn er ihn länger als zwei Tage beherbergte. – Die Verantwortlichkeit für den dreitägigen Gast mochte nicht selten eine sehr bedenkliche Last seyn.“
Illustration: Serge Bloch