Berlin

Wie kommt eine ernst zu nehmende Großstadt dazu, ihre sprichwörtlich gewordene Luft in Dosen zu verkaufen? Genau, Verzweiflung. Und die ist auch angebracht angesichts der seit Jahren angespannten Geruchslage in Berlin. Bei dem gewissen »holden« Duft in Konservendosen, der im Gassenhauer noch auf Luft als Reim folgt, ist der O-Ton eine glatte Lüge. Wer im brutalen Winter nach Berlin kommt, hat schnell eine obskure Mischung in der Nase, mit dem Steglitzer Bierpinsel als Duftaquarell aufgetragen: überheiztes, altes Mercedes-Rauchertaxi samt Abgassonderausschüttung in den Fahrgastraum (mit cognacfarbenem Ledersitz!), kaltes Linoleum (die Gänge zu den Hinterhöfen!), offensive Fahne (Fusel!) und Rinnstein (iih!). Gewiss, von einer Metropole kann bei klarem Verstand keine Wunderbaumallee erwartet werden, aber Berlin, man muss es so hart sagen, obwohl das Wort mehr als hässlich ist, STINKT. Der Komponist Paul Lincke schuf nicht nur den Marsch zur Berliner Luft, er wuchs auch in einem Haus mit Abort im Hof auf; den Schlüssel dazu erbettelte er von Muttern nur, um alle paar Minuten die Musikanten auf der Straße promenieren sehen zu können. Fäkalien, ob vom Mensch oder vom Hund, gehören eben nicht nur zum modernen Theater, sondern zum Leben, und dem ist bekanntlich nur mit Humor beizukommen – das wusste auch schon Lincke. Sein eigener Marsch beschwört: »Berlin! Hör’ ich den Namen bloß, da muss vergnügt ich lachen!« Wenn das mal nicht Lachgas ist, was da für zwei Euro an Touristen verkauft wird.