Wo Männer noch Hengste sind

»Hero«, »Eros« oder »Bad Boy«: Warum tragen Männerparfüms so unglaublich plumpe Namen?

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Parfüm-Marketing ist keine besonders subtile Angelegenheit. Es geht vorrangig darum, bei den Käuferinnen und Käufern breitflächige Gefühle zu wecken und Assoziationen herzustellen, die einerseits Literpreise von 4000 Euro rechtfertigen und die sich andererseits in den nächsten Jahren nicht allzu sehr abnutzen. Schließlich ist für viele Menschen – insbesondere für Männer – jedes Parfüm ein Lebensabschnittspartner, der seine Reize möglichst lange behalten sollte.

Wahrscheinlich liegt es an diesen Mechanismen, dass ausgerechnet der elegante Parfümerie-Fachhandel ein Ort ist, an dem die Männerwelt noch nach den alten Regeln von Flamme und Schwert funktioniert. Die Namen vieler angesagter Herrendüfte lesen sich jedenfalls wie ein Who’s who martialischer Männlichkeitsvorbilder: Hero (Burberry), Invictus (Paco Rabanne), Eros (Versace), Explorer (Montblanc), Sound Of The Brave (Diesel) oder gleich Epic Man (Amouage). Angesichts dieser Mannschaft im Regal wirkt jede Marvel-Verfilmung dünn aufgetragen.

Etwas modernere Duftvarianten spielen unverhohlen gern mit einem Alpha-Männchen-Vokabular, das andere Branchen heute tunlichst vermeiden würden – und das in seiner Häufung mehr rührend als einschüchternd klingt: Bad Boy, Égoïste, Sauvage, ­Legend, 1 Million oder Tom Fords duftgewordenes Eigenlob namens Fucking Fabulous. Alles sehr erfolgreiche Parfüms, alles eher peinliche Rollenzuschreibungen und Macho-Gedröhne. Als ob den Bürohengsten fortwährend versichert werden müsste, dass es sehr männlich und sogar richtiggehend krass ist, sich mit feinen Wässerchen aus kleinen Flaschen einzustäuben. Wer sich von den Testosteron-Titeln nicht angesprochen fühlt, kann alternativ in eine operettenhafte Kitschwelt eintreten, in der Männer gezwirbelte Schnurrbärte und ein Zorro-Kostüm im Schrank haben: Born in Roma Uomo, Stronger With You, Phantom Intense, Nomad Soul. Bei so viel wildwuchernder Romantik auf dem Badezimmerschränkchen ist es kein Wunder, dass der moderne Mann bisweilen in Sinnkrisen rutscht, wenn er etwa als Nomad Soul aufs Lastenrad steigen muss.

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Eine Erklärung für das wenig subtile Vokabular könnte sein, dass die morgendliche Parfümgabe ein letzter Akt des Eskapismus ist, ein evolutionäres Überbleibsel: Das brünftige Männchen signalisiert mit einem animalischen Duft seine Paarungsbereitschaft, oder so. Derlei ginge natürlich nicht mit Düften, die Pendlerglück heißen oder Bereichsleiter Süd.

Es gibt noch weitere steinzeitliche Nischen in der Parfümwelt: Der Softporno zum Beispiel hat als Filmgenre weitgehend ausgedient, lebt aber weiter auf modernen Parfümflakons mit Titeln wie Le Provocateur, Stallion Soul, Toy Boy, Gucci Guilty oder gleich Melting Lust. Und auch die Flakons sind bisweilen fragwürdig: Spicebomb von Viktor&Rolf etwa ist einer Handgranate nachempfunden. Der beliebte Duft Wanted von Azzaro wird in eine recht detailliert ausgearbeitete Revolvertrommel abgefüllt. Was uns Männer halt morgens wachmacht: Revolver an den Kopf halten – und drei Sekunden später duftet man nach Tonkabohne.