Das stinkt gewaltig

Die Nachbarin hat ein neues Parfum – das so penetrant riecht, dass unsere Leserin es kaum noch aushält. Sollte sie das Problem ansprechen?

Illustration: Serge Bloch

»Mein Mann und ich haben eine sehr nette 70-jährige Nachbarin, mit der wir uns seit vielen Jahren gut verstehen. Nachdem ihr Mann gestorben ist, ist der ­Kontakt noch enger geworden. Seit einiger Zeit gibt es allerdings einen ›Störfaktor‹: Zu besonderen An­lässen wie Geburtstagsfeiern oder zum Essengehen legt sie ein Parfum auf, das für uns unerträglich riecht, super intensiv. Nach Umarmungen mit ihr schrubben wir es mit Wasser ab, aber das nützt nichts. Wenn dieser Gestank mit im Raum ist, ist für uns nur noch Aushalten angesagt. Das möchten wir uns nicht länger antun. Wie spreche ich das Thema an, ohne sie zu kränken?« Christine L., Husum

Es gibt derzeit tatsächlich auffallend viele Leute, die Parfums tragen, die riechen, als sei im Chemielabor etwas ausgelaufen. Eher nach reinem Alkohol als nach irgendetwas anderem, abgesehen von Nagellackentferner. Aber Nasen sind unterschiedlich sozialisiert. Von Comme Des Garçons etwa gibt es einen Duft, der nach Tankstelle riecht. Extra. Nach Gummi, Benzin, Teer. Und ich schwöre, dass das ein angenehmer Geruch sein kann – wenn man mit Benzingeruch etwas Angenehmes assoziiert. Ich war eine Zeit lang verrückt nach diesem Duft, der in mir die schönsten Kindheitserinnerungen wachruft: Auto­reisen in die Sommerferien. Der erste Stopp an einer Raststätte gleich hinter dem Brenner. Die staubtrockenen Panini mit Parmaschinken, die meine Brüder und ich im parkenden Auto verschlingen, während unsere Eltern drinnen noch ihren Espresso trinken und fürs Tanken zahlen. Ach, dieser beißende, unendlich betörende metallische Benzingeruch, der da, begleitet vom schläfrig machenden Summen der vorbeirasenden Autos, zusammen mit warmer Sommerluft durch die heruntergekurbelten Fenster hereinströmt. Danach riecht dieses Parfum für mich – und nach all den Gefühlen, mit denen ich den Wochen im Süden entgegenfieberte, die noch so voller Möglichkeiten vor mir lagen wie mein ganzes Leben. Für andere Nasen dagegen mag es einfach nach Benzin gestunken haben. (Ich gebe zu, es war etwas penetrant, lange habe ich es nicht getragen.)

Aber bitte: Hören Sie nicht damit auf, den Geruch Ihrer Nachbarin auszuhalten. Sie legt ihn auf, weil sie ihn offenbar mag. Vielleicht erinnert er sie an irgendetwas. Es mag ein Opfer für Sie sein, aber bringen Sie es. Jede Flasche ist irgendwann leer (jede nachgekaufte auch), jeder Duft irgendwann verflogen. Man kann nicht alles im Leben bestimmen. Augen beziehungsweise Nase zu und durch!