Gute Zeiten, schlechte Zeiten

Fast zwanzig Jahre lang gehörte die Serie »Marienhof« zum deutschen Vorabend. In acht Wochen läuft Folge 4053. Es ist die letzte. Warum? Die Geschiche einer Abwicklung.


Vor zwanzig Jahren hat Wolfgang Seidenberg in Schindlers Liste mitgespielt, seit ein paar Wochen schreibt er Bewerbungen – Serien, Fernsehfilme, Theater, alles dabei. Als er sich das letzte Mal für eine Rolle bewerben musste, hat er noch Passfotos und VHS-Kassetten verschickt.

In den letzten 16 Jahren war Seidenberg fast täglich in der ARD zu sehen; in der Serie Marienhof spielte er den Klempnermeister Frank Töppers, dem man selbst als Nicht-Marienhof-Seher kaum entkommen konnte: Kurz gezappt, schon lag er im karierten Hemd unter irgendeinem Waschbecken. Seidenberg hat das Max Reinhardt Seminar in Wien besucht, er spielte am Burgtheater, war Richard III. – die Rolle seines Lebens aber ist Töppers, der Klempner; 16 Jahre Marienhof haben Seidenberg zum öffentlich-rechtlichen Vorabendgesicht werden lassen – ein Problem, denn wie soll aus einem Kölsch sprechenden Handwerker nun plötzlich Wallenstein oder ein Polizeikommissar werden? Es ist Montag, der 7. Februar 2011. In vier Tagen wird Seidenberg zum letzten Mal als Töppers vor der Kamera stehen; nach Drehschluss darf er dessen Blaumann als Erinnerung mit nach Hause nehmen. Vier Tage noch, dann ist Wolfgang Seidenberg arbeitslos.

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Sein Gesicht sieht zerknittert aus, aber das tut es immer. Ein Markenzeichen. Töppers war eine der beliebtesten Figuren in Marienhof, ein Kumpeltyp, der es schaffte, die Zuschauer für 25 Minuten von der zu hohen Stromrechnung oder anderen Alltagssorgen abzulenken. Jetzt steckt Seidenberg selbst in Schwierigkeiten: »Ja«, sagt er, »in manchen Momenten habe ich Panikattacken; meine Kinder, die Verantwortung – auf der anderen Seite geht es weiter, es geht immer weiter. Zum Schluss«, sagt er, »haben wir das Ende ja fast herbeigesehnt« – das ewige Hin und Her, die Gerüchte, die Verträge, die vielen Fragen: Geht es weiter? Wenn ja, wie lang? Und was, wenn nicht? Im Grunde steht der Marienhof seit Jahren vor dem Abgrund, vor ein paar Wochen ist er runtergefallen.

16. Dezember 2010
Es ist 19 Uhr, als dem Team die Nachricht verkündet wird: Ja, der Marienhof wird eingestellt. Ja, die Quote ist zu schlecht. Ja, ihr müsst euch was Neues suchen. Und, sorry, wir haben gekämpft, aber die ARD hat entschieden. In der Intendantenrunde haben nur zwei für Marienhof gestimmt, der Rest dagegen – damit war die Sache vom Tisch. Manche aus dem Team behaupten, die Quote sei nur ein vorgeschobener Grund; in Wahrheit habe sich der NDR den begehrten Sendeplatz zwischen 18 und 19 Uhr sichern wollen, aber so oder so: Ein Format, dessen Quote sich halbiert, steht zur Debatte, selbst bei der öffentlich-rechtlichen ARD. Und jetzt ist die Serie also abgesetzt. In acht Wochen, am 16. Juni 2011, vier Monate nach dem letzten Drehtag, wird Folge 4053 ausgestrahlt, es wird die letzte sein. Danach gibt es Marienhof nur noch auf YouTube und auf DVD-Staffeln.

Betroffen vom Ende der Serie sind 20 Hauptdarsteller und 100 Mitarbeiter der Bavaria Fernsehproduktion GmbH: Maskenbildner, Requisiteure, Kameramänner; 75 der Mitarbeiter wurden gekündigt und abgefunden, der Rest kommt in anderen Produktionen unter.

Egal, werden jetzt viele sagen, war doch eh nur eine Seifenoper, Kleinbürgerkram, flaches Zeug. Kommt halt irgendwas anderes, das man sich auch nicht anschaut, weil man dienstags um halb sieben im Büro, im Yogastudio oder im Biergarten, weil man eigentlich überall sitzt, nur nicht zu Hause auf dem Sofa. Man könnte all jene Kritiker aber auch fragen, was es bedeutet, wenn eine Institution wie Marienhof nach zwei Jahrzehnten den Betrieb einstellt. Was es mit Schauspielern macht, die ein halbes Arbeitsleben jeden Tag in diesem Paralleluniversum existiert haben. 19 Jahre Marienhof – das sind 160 Haupt-, 7300 Nebendarsteller und 50 000 Komparsen; das sind Tausende von Requisiten, Dutzende von Autoren und 1,2 Millionen Autogramme. Man kann sich also auch fragen, wie solch ein Riesenorganismus rückgebaut wird, wie er verschwindet, wohin er verschwindet und ob etwas übrig bleibt.

11. Januar 2011
Den Mitarbeitern wird der Sozialplan vorgelegt. Es handelt sich um eine Premiere, ein Spezialkonstrukt. Ein Sozialplan für eine abgesetzte Dauerserie – so etwas gab es noch nicht in der deutschen Fernsehbranche. Die Regeln: Wer länger dabei war, kriegt mehr, wer Kinder hat, auch. Die Darsteller bekommen prinzipiell nichts. Das wussten sie. Schauspieler können jederzeit aus Drehbüchern rausgeschrieben werden – das gehört zur künstlerischen Freiheit des Produzenten. Doch »in begründeten Einzelfällen« können sie – wie Mitarbeiter – eine finanzielle Unterstützung bei der Produktionsfirma beantragen; zum Beispiel wenn einer schlechtere Chancen auf eine neue Rolle hat, weil man sein Gesicht zu stark mit Marienhof in Verbindung bringt.

»Der Bavaria kann man keinen Vorwurf machen«, sagt Seidenberg, »die haben für uns gekämpft. Das ist ja das Tragische an der Sache, dass es keinen Schuldigen gibt. Alle haben alles versucht, gereicht hat es trotzdem nicht.« Marienhof läuft von Montag bis Freitag, 18.25 bis 18.50 Uhr. Vor dem Fernseher saß, wem die Lindenstraße zu depressiv war und Gute Zeiten Schlechte Zeiten zu banal: Hausfrauen, Schülerinnen, Studenten, Arbeitslose. Die große Stärke von Marienhof war, dass in der Geschichte normales Leben möglich war: logische Charaktere, ein klar definiertes Stadtviertel. Eine Soap ist die Überhöhung alltäglicher Probleme, eigentlich der dauerhafte Ausnahmezustand, trotzdem war Marienhof nie schrill oder reißerisch. Schwierigkeiten gab es, aber sie stellten sich den Menschen nur in den Weg, sie warfen sie nicht aus der Bahn.

»Verbotene Liebe ist die Sahnetorte, Marienhof das Leberwurstbrot«, hat eine Produzentin mal gesagt. Der Spiegel meinte sogar eine »sanfte Sozi-Haltung« zu erkennen. Marienhof, das waren kleine Geschichten, die zwischen Bäckerei, Waschsalon und Kneipe spielen, Wohlfühlfernsehen, Bodenständigkeit und Mittelmaß, verdichtet auf 25 Minuten täglich; das war Ablenkung, Trost und Orientierung.
Als die erste Folge am 1. Oktober 1992 ausgestrahlt wurde, war Monica Seles Nummer eins der Tennis-Weltrangliste und Bill Clinton noch nicht US-Präsident. Im Fernsehen liefen Unser Kanzler Kohl – ein Beitrag zum zehnjährigen Dienstjubiläum (ARD) und die Talksendung Live (ZDF) mit den Gästen Manfred Stolpe und Heinz Eggert (ein CDU-Politiker). Man hatte noch keine Handys, keine iPads, keine Laptops, dafür gab es Mikrowellen und Hobbykeller. Es gab kein Deutschland sucht den Superstar, kein Germanys Next Topmodel. Heidi Klum arbeitete hinterm Tresen in einer Düsseldorfer Diskothek. Wäre nicht drei Jahre zuvor die Mauer gefallen, könnte man fast sagen: Marienhof war ein Symbol für die alte Bundesrepublik. So gesehen ist es ein kleines Wunder, dass es beinahe zwei Jahrzehnte gedauert hat, bis die Moderne Marienhof schließlich eingeholt und überflüssig gemacht hat.

Am Ende ging die Geduld aus

11. Februar 2011
Letzter Drehtag. Folge 4053. Alle sind gekommen, wirklich alle: 20 Hauptdarsteller, die komplette Crew, Bavaria-Mitarbeiter, sogar der Geschäftsführer. Ein ehemaliger Darsteller kam extra aus Tunesien eingeflogen. Gegen 21 Uhr fällt die letzte Klappe: Inge Busch hat im Lotto gewonnen und feiert eine große Party in ihrer Wohnung. Eingeladen sind alle. Natürlich. In Marienhof waren immer alle eingeladen: Seit 1992 gab es 28 Hochzeiten, 14 Geburten und 48 Todesfälle. In der letzten Szene des Tages winken die 20 Darsteller in die Kamera. Ein Abschied. Auch von den Zuschauern. Und dann – ganz plötzlich – geht das Licht in der riesigen Halle aus. Eine Stimmung wie an Weihnachten bei Stille Nacht, Heilige Nacht – und eine Idee, die ein feinfühliger Mensch gehabt haben muss, der weiß, dass so ein Moment dramaturgisch abgefedert werden muss, weil die Leute sonst nicht wissen, wohin sie schauen und was sie sagen sollen.

»Wir Schauspieler«, sagt Seidenberg, »hätten uns das Ende trashiger gewünscht; ein Amoklauf, eine explodierende Fliegerbombe oder dass in der letzten Folge jeder die Rolle eines anderen spielt«, aber Marienhof bleibt sich selbst im Untergang treu und endet sentimental und ein bisschen altbacken. So gesehen passt es, dass ausgerechnet Jörg Pilawa mehrere Gastauftritte in der Serie hatte. »Danach«, erzählt Seidenberg, »haben sich alle umarmt. Ein paar haben geweint.«

Warum aber wollten die Menschen Marienhof nicht mehr sehen? War die Serie schlechter geworden, oder haben nur wir uns verändert, die Zuschauer und die Welt, in der wir leben? Der Niedergang von Marienhof vollzog sich in Stufen: Die höchste durchschnittliche Einschaltquote von 17,6 Prozent erreichte die Serie 1997, das ist 14 Jahre her, danach ging es jedes Jahr ein bisschen weiter nach unten. 2009 fiel die Quote zum ersten Mal unter die magische Grenze von zehn Prozent, zuletzt sahen noch 1,63 Millionen Menschen zu, das entspricht 8,6 Prozent. Seitdem versucht die Bavaria alles, um den Zuschauerschwund zu stoppen: Sie holt einen neuen Produzenten, der die Serie jünger und trendiger machen soll: Licht, Kameras, Frisuren, Kleider – alles wird neu gemacht. Die Schnittfolge wird schneller, die Außenkulisse renoviert. Angeblich sieht sie danach aus wie ein Stadtviertel im 21. Jahrhundert. Das Problem: Das 21. Jahrhundert ist da schon neun Jahre alt. Die Verjüngung kam zu spät. Oder anders ausgedrückt: Der Gemüseladen in Marienhof hieß zu lang Möhre, die Disco zu lange Foxy.

»So eine Serie ist wie ein Dampfer«, erklärt Werner Lüder, in den Neunzigern Chefautor von Marienhof. »Ist sie erst mal vom Kurs abgekommen, dauert es eine Ewigkeit, sie wieder zurückzubringen.« Zuschauer sind lange treu, aber wenn sie weg sind, sind sie weg. Werner Lüder ist einer, der drei Ideen in zwei Sekunden hat, eine Geschichtenmaschine. 2010 holt ihn die Bavaria als Berater zurück. Sein Auftrag: die Serie retten. Man hatte vor lauter HD-Qualität die Inhalte vernachlässigt. Lüder soll die Geschichten wieder glaubwürdiger machen, eigentlich so wie früher, im Forum auf der Marienhof-Homepage hatten sich Beschwerden der Fans gehäuft. Sie hatten kleine Logikfehler entdeckt, unglaubwürdige Erzählstränge, zum Beispiel dass Tanja Maldini der kinderlosen Tochter ihr ungeborenes Kind verspricht, Krebs bekommt, die lebensrettende Chemotherapie ablehnt, das Kind bekommt, überlebt und von ihrer Tochter das Baby zurückfordert. Das Problem: Lüder kommt im Februar 2010, aber die Serie hat fünf Monate Vorlauf. Man würde seine Handschrift frühestens im August bemerken. Um Marienhof wirklich verbessern zu können, bräuchte er länger. Am Ende geht die Zeit aus. Und die Geduld der ARD.

Seit Jahren geht es Marienhof wie einem Marathonläufer, der bis Kilometer zwanzig an der Spitze läuft und dann nach hinten durchgereicht wird. Zwar haben auch Verbotene Liebe (ARD) und GZSZ (RTL) Zuschauer verloren, dafür gingen neue, zeitgemäßere Daily-Formate auf Sendung, zum Beispiel Anna und die Liebe auf Sat.1, die Marienhof die jungen Zuschauer weggenommen hat. Es ist wie bei den Handyanbietern: Die Konkurrenz ist größer geworden. 1992 gab es drei Daily Soaps im deutschen Fernsehen, heute sind es elf. »Trotzdem«, sagt Lüder, »bin ich sicher, wir hätten den Marienhof retten können, wenn man uns ein paar Monate mehr gegeben hätte.«

12. Februar 2011
Am Morgen nach der letzten Klappe fangen Arbeiter an, die Halle 4/5 auf dem Bavaria-Gelände leer zu räumen. Die legendäre Halle 4/5, in der Teile von Das Boot, Die Unendliche Geschichte und zuletzt Marienhof gedreht wurden. In zwei Wochen muss alles weg sein, dann zieht die nächste Serie ein: Sturm der Liebe, eine Seifenoper für Senioren. Wieder nichts für die Jungen, dabei hätte das Erste doch genau die so dringend nötig.

Von heute an fahren stündlich 7,5-Tonner von der Halle zum Fundus. Dort wird jedes Requisit eingelagert und katalogisiert, Schreibtischlampen, Sofasessel, ein Räucherstäbchenständer, mehrere Modellautos und eine versteinerte Schnecke. »So eine Abwicklung ist kompliziert«, sagt Charly Hofmann, der vom ersten Tag an für die Drehplanung zuständig war: »Erst müssen die 600 Deckenlampen raus, dann die großen Sachen, Küchen, Bäder, zuletzt die Trennwände – im Grunde jeden Tag ein Reihenhaus.« Was nicht aufgehoben wird, wird verheizt. Heizkraftwerke zahlen gut für Fernsehkulissen, weil die gut brennen. Auch sein Büro muss Hofmann in vier Wochen geräumt haben. 1992 hat er die Marienhof-Ausstattung mitgeplant, jetzt soll er sie Schritt für Schritt rückgängig machen – bis nichts mehr davon da ist.

Am Abend steigt das Abschiedsfest der Produktionsfirma. Die Presse muss draußen bleiben. »Ich durfte nicht mal meine Mutter mitnehmen«, sagt Ivonne Polizzano, die als Töppers Tochter seit drei Jahren dabei ist. Am Ende bekommt jeder Darsteller sein Bewerbungsvideo vom Casting als DVD geschenkt.

»Verflixter Sendeplatz« – so hat ARD-Programmdirektor Volker Herres den Vorabend mal genannt, also die Zeit zwischen 18 und 20 Uhr; die blaue Stunde, die den Übergang vom Tag zum Abend markiert, das Runterkommen vom Job, von der Hektik des Tages. Marienhof wurde damals für diesen Vorabend konzipiert: keine seichte, aber leichte Kost zum Reingleiten in die Sphäre des Privaten. Es gibt Fans, es gibt auch Schauspieler, die sagen, die Serie sei in den letzten Jahren schlechter geworden, aber dies allein reicht als Erklärung nicht aus. Verändert hat sich auch der Vorabend der Deutschen, verglichen mit dem Vorabend von 1992 ist er nicht wiederzuerkennen: Die Geschäfte haben länger offen, wir arbeiten länger – 18 Uhr, das ist nicht mehr Abend, sondern Spätnachmittag. Dazu kommt, dass die Anfangszeiten von Sendungen unwichtig geworden sind. Wer Marienhof verpasst, der kann sich die Folge auf der Mediathek anschauen – oder gleich eine bessere Serie runterladen.

Seit ein paar Monaten gibt es bei der ARD einen Mann, der sich jeden Tag damit beschäftigt, wie das Programm zwischen 18 und 20 Uhr umgestaltet werden muss, damit die Leute lieber vor dem Fernseher sitzen als auf Facebook Fotos zu kommentieren: NDR-Programmdirektor Frank Beckmann. Sein Konzept: wissensorientierte Unterhaltung, also die Quizsendungen, die Lexikonwissen abfragen und sowieso schon überall laufen, außerdem Krimis mit Regionalbezug, »Krimi light«, sagt Beckmann dazu. Das Vorbild: Großstadtrevier, eine Mischung also aus Spannung zum Dranbleiben, Dialekt zum Wohlfühlen und Kalauern zum Mitlachen. Bis auf Weiteres kommen Doppelfolgen von Verbotene Liebe – die Edelsoap der ARD. »Das tut besonders weh«, sagt Seidenberg, der Klempner vom Marienhof, »dass da nichts Kreatives nachfolgt. Ich muss doch nur meine Kinder anschauen. Die interessieren sich nicht für deutsche Soaps, die wollen schräge Sachen sehen, Serien aus Amerika wie die Simpsons oder Scrubs.«

Bleibt die Frage, die seit Jahren im Raum steht: Warum kriegen die Deutschen keine hochwertigen Serien zustande? Liegt es am Geld? Oder nur am Mut?

16. Februar 2011
Die Bagger schaufeln die Reste weg. Nach wenigen Tagen sehen beide Hallen – 4/5 und 6 – aus, als sei ein Hurrikan durch eine amerikanische Kleinstadt gefegt: Fenster und Türen, Wände und Schränke, alles ist kurz und klein geschlagen und zu einem Schuttberg aus Raufaser und Sichtbeton aufgetürmt. Eineinhalb Tage brauchen die Bagger, um einzureißen, was 19 Jahre lang der Marienhof war, 2600 Quadratmeter Innenkulisse von Deutschlands erster öffentlich-rechtlicher Seifenoper. »Gutes Material«, sagt der Baggerfahrer, »keine Sortiererei, einfach nur einreißen, abreißen, aufhäufen.« Am Wochenende darauf werden auf einem Basar 2000 Kleidungsstücke der Marienhof-Darsteller verkauft: das Paar Schuhe für fünf Euro, das Hemd für drei Euro, der Nadelstreifenanzug für zwanzig Euro. Die Bild-Zeitung berichtet.

April 2011
Der Schauspieler Seidenberg steht schon wieder auf der Bühne, bald wird er mit einem eigenen Theaterprojekt auf Tournee gehen, der Autor Lüders werkelt an der nächsten Serie, der Produktionskoordinator Hofmann räumt sein Büro in Umzugskisten. Auf dem Bavaria-Gelände erinnern nur noch gerahmte Szenenbilder an Marienhof, überzogen von Nikotinpatina. »Was solls«, sagt Hofmann, der in wenigen Tagen auch weg sein wird, »im Grunde sind wir Freiberufler. Im Marienhof hatten wir 19 Jahre gute Arbeit und gutes Geld. Wer hat das schon in unserer Branche?« Er lehnt sich zurück, zündet sich eine Zigarette an. »Ich bin 62. Gehe ich halt noch ein paar Jahre stempeln.« An der Glastür vor seinem Büro hängt ein Schild: »Alle Mitarbeiter, die einen Schlüssel besitzen, müssen ihn nach Beendigung ihrer Tätigkeit abgeben. Wer es versäumt, dem werden die Kosten für den Ausbau des Schlosses in Rechnung gestellt.«

Fotos: Joachim Bischoff / Bavaria Fernsehproduktion GmbH, Regina Recht