19. Mai 2011Aus Heft 20/2011FotografieEinen Moment, bitte!Große Sportereignisse dauern normalerweise Stunden, wenn nicht gar Tage. Diese Bilder verdichten sie zu Augenblicken: Sie zeigen alles Wichtige, das eigentlich der Reihe nach passiert, auf einmal.Von: Peter Langenhahn Start Ein Fußballspiel in der Augsburger »Impuls Arena«. Peter Langenhahn platziert seine Kamera weit oben in den Rängen, schwenkt sie von rechts nach links und zurück, drückt rund 3000-mal auf den Auslöser. Nach dem Spiel setzt er sich zwei Wochen vor den Computer und fügt 300 digitale Bilder ineinander. Weil er das Spiel zwischen dem FC Augsburg und dem 1. FC Nürnberg eher langweilig fand, konzentriert er sich auf die Fouls. Hie und da sieht man Spieler sich vor Schmerzen krümmen, Mannschaftsärzte mit Erste-Hilfe-Köfferchen, der Schiedsrichter zückt die Rote Karte gegen einen Augsburger Spieler, der dann wütend gegen die Bande tritt. All dies geschieht in 90 Minuten, ist aber gleichzeitig zu sehen: ein Sittengemälde des Foulspiels.Die Stuttgarter Hanns-Martin-Schleyer-Halle während eines dreistündigen Motocrosswettbewerbs, ein Gewusel von fahrenden, fliegenden, stürzenden Motorrädern. Auch dieses Bild lässt keine übliche Einordnung zu – die Verwirrung liegt im Auge des Betrachters: Erfahrungsgemäß bildet ein Foto nur einen Moment ab und ist für das menschliche Gehirn in Millisekunden erfassbar. Hier aber finden Rennen, Siegerehrung, Sektdusche, Stuntshow simultan statt, aufgenommen mit einer Standardspiegelreflexkamera und 50-Millimeter-Objektiv. »Ich gebe nur Raum und Ereignis vor, aber ich bin Regisseur, Kameramann, Cutter in einer Person«, sagt Langenhahn.Angela Merkel hielt die Eröffnungsrede zur Turn-Europameisterschaft Anfang April in der Max-Schmeling-Halle in Berlin. Auf dem Foto ist sie zwar nicht zu sehen. Dafür aber turnt Philipp Boy: Ob am Pferd, Reck, Barren, Boden oder an den Ringen – der spätere Europameister im Mehrkampf scheint überall zu sein. Daneben saugen Mitarbeiter des Veranstalters Magnesiumcarbonat vom Boden, das die Sportler vor dem Wettkampf zwischen den Händen zerreiben, um die Griffigkeit zu erhöhen. Und obwohl neben Boy auch Marcel Nguyen, Europameister am Barren, und Elisabeth Seitz, Vize-Europameisterin im Mehrkampf, zu sehen sind, wird einer auf der Matte schmerzlich vermisst: Florian Hambüchen. Der sitzt verletzt irgendwo in den Zuschauerrängen.Klar: Eigentlich versucht immer nur ein Reiter auf dem Platz, die Hindernisse zu überwinden. Auf dem Foto treten zwei Dutzend scheinbar zur selben Zeit gegeneinander an. Zwischen Pferden und Reitern ziehen zwei Traktoren Matten über den Parcours, um den Sand zu glätten, Ordner richten umgerissene Hürden, ein Kind spielt in der Loge mit Plastikpferden. Zwei Tage lang, zwischen 13 und 22 Uhr, hielt der Fotograf jeden Augenblick des Springreiterturniers in der Münchner Olympiahalle auf einem Foto fest und schnipselte später gut 250 Bilder zu einem einzigen. Vergleichbar ist Langenhahns Arbeit mit der eines Dokumentarfilmers, der Unterschied: Im Film sind nicht alle Szenen gleichzeitig zu sehen. Vorheriges Bild Nächstes Bild Fotos: Peter Langenhahn Rechte am Artikel können Sie hier erwerben. Aus Heft 20/2011FotografieWimmelbildStartseite > Themen > Fotografie > Einen Moment, bitte!