Der Franzose Tiane Doan na Champassak war ein guter Vater. Er hat seinem Sohn viel mit auf den Weg gegeben, nicht nur den Namen, den er selbst trug, sondern auch tolle Gutenachtgeschichten. Denn jemand, der in Marokko als Archäologe und Maler gearbeitet, der Chemie studiert hat, Gedichte schrieb und professioneller Teetester war, konnte seinem Sohn eine Menge erzählen. Aber Tiane der Ältere hatte auch Talente, von denen sein Sohn nichts wusste. Erst lange nach dem Tod des Vaters fand Tiane der Jüngere ein Fotobuch mit verklebten Seiten. Er trennte sie vorsichtig auf und blätterte durch ein Kapitel, geschrieben irgendwo in einem Tanz- oder Fotostudio im Jahr 1967. Der Mann, der da auf den Bildern so hingebungsvoll für die Kamera tanzte, war sein Vater - und diese Fotos die letzte Geschichte, die er seinem Sohn erzählte.
Bilder der Eltern, als sie noch keine Eltern waren, hinterlassen ein merkwürdiges Gefühl im Bauch der Kinder und eine gewisse Ratlosigkeit: Wäre aus ihnen etwas ganz anderes, etwas Unvernünftiges, etwas Herausragendes geworden, wenn nicht die Zeit, Geld und Kraft raubende Erziehung der Kinder sie daran gehindert hätte? Oder eine Nummer kleiner: Wie - und vor allem wann - schaffen es Mann und Frau, ihre kleinen Geheimnisse zu leben, von denen keiner aus der Familie wissen soll? Wer und wie sind sie, wenn ihnen keiner dabei zuschaut, keiner was von ihnen will, sie niemandem was beweisen müssen? Wie viele von uns haben vielleicht einen Vater wie Tiane Doan zu Hause, der heimlich tanzt? Ging es bei Tianes Fotos um Selbstfindung? Um Spaß? War es ein Kunstprojekt? Er mochte Musik und exzentrisch war er auch, erinnert sich der Sohn. Warum aber waren die Bilder verklebt und versteckt - waren sie dem Vater peinlich? Weil er ihn nicht mehr fragen kann, werden die Bilder immer ein Geheimnis bergen. Den Vater in dieser Rolle zu sehen, sagt der Sohn heute, war ein Epilog, wo er keinen mehr erwartet hatte, wie ein neues Zimmer in einem alten Haus.
Auf den Fotos gab es aber noch mehr zu sehen als einen lustigen Mann. Die vielen Jahre, die inzwischen vergangen sind, sie steckten nicht nur in den engen Hosen und kuriosen Hemden. Wo die Bilder verklebt waren, blieben auch weiße Stellen. Als er das bemerkte, wusste Tiane der Jüngere, was er machen musste. Er ließ die Fotos, wie sie waren, und druckte daraus ein kleines Buch mit dem Titel The Father Of Pop Dance, 64 Seiten in Spiralbindung. Jetzt tanzt der Vater wieder, mit fast einem halben Jahrhundert Verspätung.
Fotos: Tiane Doan Na Champassak