Beim zweiten Kind war alles anders. Nur die Frage nicht: War es geplant? Beim ersten verstand ich, warum man sie mir stellte. Ich war 18, als meine Tochter geboren wurde, hatte keinen Schulabschluss, keine Ausbildung, kein Geld, meine Familie gegen mich. Ich weiß nicht mehr, was ich geantwortet habe, jedenfalls nicht die Wahrheit. Die gestand ich mir erst viele Jahre später ein. Sie aufzuschreiben kostet so viel Überwindung, dass ich den folgenden Satz fünf Mal gelöscht habe. Also: Ich wollte den Vater, nicht das Kind. Man sollte nicht älter als 18 sein, um zu hoffen, dass das hinhaut. Hat es natürlich nicht. Der Vater des Kindes verließ mich, als ich im achten Monat schwanger war.
Meine Mutter nahm mich wieder auf und ermöglichte mir, das Leben eines jungen Menschen zu führen, ausgehen, feiern, halbe Nächte durchratschen. Zwei Jahre später nahm ich meine Tochter mit nach Berlin, um das Abitur nachzuholen, dann nach Salzburg, um zu studieren, dann nach Hamburg, um meinen ersten Job anzutreten. Es knarzte überall. Mal schlüpften wir bei einer Freundin unter, bis ich eine Wohnung fand, mal sprang ein Freund ein, der keine Ahnung hatte, wie man Milchbrei zubereitet, ständig musste ich mir ein Auto leihen, um meine Tochter irgendwo unterzubringen. Aber dass ich eine Exotin war, gefiel mir mit der Zeit ganz gut.
Sie war ein einfaches Kind. Ich war liebevoll, ich war streng, sie verstand, sie lenkte ein. Gut in der Schule war sie obendrein. Von ihrer Pubertät merkte ich wenig. Das Stöhnen anderer Eltern über diese Lebensphase war mir fremd. Ich dachte, ich verstehe eben was von Erziehung.
Dann kam mein Sohn zur Welt. Meine Tochter war 14, ich 32 und immer noch jünger als viele, die ihr erstes Kind bekommen. Das machte mich ein bisschen hochnäsig. Und wieder sollte ich die Frage beantworten: Ob das geplant war, zwei Kinder, so weit auseinander? Ich habe geantwortet: Wenn er mit der Schule fertig ist, werde ich mich 25 Jahre lang nach dem Ferienkalender gerichtet haben müssen. Wie kann da ein Plan dahinter stecken? Daraufhin lachten die anderen, ich lachte mit. Die Frage fand ich blöd: Denn ich war nun verheiratet, hatte einen festen Job und eine schöne Wohnung mit einem Extrazimmer für die Au-pairs, die meinen Sohn vom Kindergarten abholten und Mittagessen kochten.
Er war ein schwieriges Kind. In einem Moment bedrohte er mich mit dem Holzschwert: »Ich töte dich!« Im nächsten Moment brach er in Tränen aus, weil er auf eine Ameise getreten war, er schlief wenig, aß wenig. Seine Pubertät war anstrengend, er schwänzte die Schule, seine Noten sackten ab, er fiel durch. Ich konnte mir noch so viel auf meine Erziehung einbilden, es half nichts.
Jetzt studiert er in einer anderen Stadt. Manchmal, wenn ich abends durch die Wohnung gehe, und die Zimmer sind leer, erschrecke ich, weil ich nicht weiß, wohin mit mir. Ich kenne ja nur ein Leben als Mutter. Seit ich 18 war, hatte ich kein eigenes Zimmer, war nie Studentin mit wenig Geld, aber viel Zeit, habe nie die Sonntage vor dem Fernseher totgeschlagen. Sollte mich endlich mal jemand fragen, ob es eine gute Idee war, mit 18 ein Kind zu kriegen, würde ich sagen: Auf dem Papier, nein. In der Praxis, ja. Unbedingt.
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