Daheim in der Hüpfburg

Es war einmal: Ein Tüftler mit kindlichem Gemüt, der sein Haus zum Spielparadies umbaute.

Der Griff des Frühstücksmessers, das rote Wachs, das den Babybel-Käse umschließt, ineinandergestellte Joghurtbecher - alles interessant für Jaimie Mantzel. Er sieht die Dinge anders als wir. Wie anders, wird klar, wenn man seinem Blick folgt - oder vielmehr den Schwenks der Kamera, die er oberhalb der Augen an seinem Kopf befestigt hat.

Vom Frühstücksmesser wandert Mantzels Blick zu einem feinen Skalpell auf der Werkbank gegenüber, und er beginnt, zurück am Tisch, in den Griff des Frühstücksmessers eine Bärentatze zu schnitzen. Auch zu den Joghurtbechern ist ihm was eingefallen; er spült sie aus und steckt sie lose ineinander. Nach dem gleichen Prinzip will er mal eine Hängebrücke aus Wassertonnen bauen. Vielleicht nächste Woche. Das Wachs vom Babybel kann er auch nicht unangerührt liegen lassen. Seine Finger kneten an der roten Masse herum, bis sie zwei Männchen geformt haben. Die wird er später am Computer animieren - und in ein Videospiel einbauen, genau wie die Spinne, die er mal aus Eisstielen, Zahnstochern und kleinen Motoren gebastelt hat.

Die wird inzwischen von der britischen Spielzeugfirma Wow! Stuff in Serie produziert. »Stryder« und »Doom Razor« heißen die zwei Versionen seiner Eisstiel-Spinne aus Plastik, und es gibt sie in jedem Toys "R" Us-Laden in den USA. In Deutschland kann man sie übers Internet bestellen. Manchmal schreiben ihm die Geschäftsführer der Firma freundliche E-Mails und bitten um ein paar neue Ideen. Aber so funktioniert das bei Mantzel nicht. Er ist kein Spielefinder, er ist ein Spielkind, das manchmal was erfindet - aber viel lieber mit seinen Töchtern Aurora, zwei, und Bellatrix, eins, Affenfamilie spielt: Bäume hochklettert und in den Wipfeln dicke Taue verknotet, um sich, mit den Kindern an den Körper geschnallt, daran von Baum zu Baum zu schwingen.

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Zur Geburt seiner Tochter Aurora baute Mantzel ein überdimensionales Trampolin in sein Haus. Oberhalb des dritten Stockwerks zog er Streben und Balken und hängte ein Sprungnetz ein. Aus dem runden Haus wurde eine Hüpfburg. Die fassungslose Begeisterung seiner Besucher kontert Mantzel immer mit gespielter Lässigkeit: Was denn daran so ungewöhnlich sei, dass man für den Nachwuchs das Dachgeschoss ausbaut?

Früher war er Bauarbeiter. Vor zehn Jahren, abends nach der Arbeit, las er eine Annonce für dieses Waldgebiet in Vermont, auf dem er heute lebt: zehn Hektar nichts als Wald und Felsen, Vögel, Biber und Elche. Noch in der Nacht fuhr er von Boston Richtung Norden und kaufte den Fleck Erde. Heute steht darauf das runde Haus, das er bewohnt. Seine Freundin lernte er vor sechs Jahren während eines Florida-Urlaubs kennen, sie schmiss ihren Job als Kellnerin und zog zu ihm. Auch sie bastelt, am liebsten Handpuppen. Die drei Verpflichtungen in ihrem Leben teilen sie sich: Kinder erziehen, Grundwasser hochpumpen, alle paar Tage beim acht Kilometer entfernten Biobauernhof einkaufen gehen. Strom liefern die Solarpanele auf dem Dach. Mehr Alltag wollen sie nicht. Aber mehr Spaß geht immer.

Fotos: John Tully