»Lassen Sie sich nicht entmutigen«

Woher weiß man, ob man eine Therapie braucht? Wie sollte man bei der Suche nach einem Therapieplatz am besten vorgehen, um möglichst schnell Erfolg zu haben? Und woran erkennt man, ob man mit dem Therapeut oder der Therapeutin gut zusammenarbeiten kann? Eine Schritt-für-Schritt-Anleitung.

Bei psychischen Problemen hilft manchmal schon das Erstgespräch, die sogenannte therapeutische Sprechstunde. Auf jeden Fall ist sie das Tor zur Therapie.

Foto: Getty Images / Fiordaliso

Sie brauchen umgehend dringend Unterstützung? Wenn Sie in einer akuten Krise sind und sich Hilfe wünschen oder Sie eine Person in einer Krise unterstützen wollen, können Sie jederzeit anonym und kostenlos die Telefonseelsorge unter der 0800 1110111 und der 0800 1110222 oder online im Chat kontaktieren.  

Besteht eine unmittelbare Gefahr für Sie selbst oder eine andere Person, zögern Sie nicht, den Rettungsdienst unter der 112 zu verständigen.

Außerdem können Sie sich auch rund um die Uhr an den ärztlichen Bereitschaftsdienst der Kassenärztlichen Vereinigungen wenden unter der 116117.  

Die Frage, wie Deutschland bis heute psychisch durch die Corona-Pandemie gekommen ist, lässt sich mit einer Zahl beantworten: 40. Um 40 Prozent stieg die Nachfrage nach psychotherapeutischer Behandlung zwischen Januar 2020 und Januar 2021, das ergab eine Umfrage der »Deutschen Psychotherapeuten Vereinigung« (DPtV). Nur jeder vierte aktuell anfragende Patient erhielt laut Umfrage auch einen Termin für ein erstes Gespräch. 

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Die Pandemie ist für viele Menschen zum psychischen Ausnahmezustand geworden: Weil die täglichen Routinen seit Monaten auf dem Kopf stehen, weil Schulschließungen und Kontaktbeschränkungen zusätzlich belastet haben und weiter belasten, weil Menschen isoliert waren oder, im anderen Extrem, ohne Ausweichmöglichkeiten auf engem Raum zusammen. Dazu der Frust, die Ungewissheit, die Zeit zum Grübeln, die Sorge um die eigene Gesundheit und die der Mitmenschen. Ablesen lässt sich all das schon jetzt in der Nachfrage nach psychotherapeutischer Behandlung – und auch der durchschnittlichen Wartezeit auf einen Therapieplatz: Knapp die Hälfte der Wartenden muss länger als sechs Monate ausharren, bis ein Platz zur Verfügung steht. Ein Problem, das seit Jahren besteht – durch Corona aber massiv verschärft wurde. Für Menschen mit psychischen Erkrankungen können diese Aussichten und die vielen bürokratischen Hürden auf dem Weg zur Therapie erschlagend wirken.

Wir haben daher mit Expertinnen und Experten wie Dietrich Munz, dem Präsidenten der Bundespsychotherapeutenkammer, und Sema Sari, Psychotherapeutin in Berlin, gesprochen und aus Ihren Antworten einen Schritt-für-Schritt-Leitfaden erstellt.  

1. Woher weiß ich, dass ich eine Therapie brauche?

Dazu sagt Dietrich Munz:

»Es geht nicht darum, selbst zu entscheiden, ob man krank ist und eine Therapie braucht. Zunächst einmal geht es einfach darum, ob man sich psychotherapeutische Unterstützung wünscht. Dafür kann es ganz unterschiedliche Gründe geben: Sie können sich übermäßig aggressiv, ängstlich, niedergeschlagen oder gereizt fühlen – vielleicht fühlen Sie auch gar nichts. Sie können körperliche Beschwerden haben, für die sich keine organischen Ursachen finden lassen. Oder Sie haben das Gefühl, alles wächst Ihnen über den Kopf. Grundsätzlich gilt, dass eine psychotherapeutische Behandlung dann sinnvoll sein kann, wenn etwas Sie so beschäftigt oder belastet, dass Sie darunter leiden und sich über einen längeren Zeitraum im beruflichen oder privaten Alltag beeinträchtigt fühlen.«

Der Präsident der Psychotherapeutenkammer rät dazu, im Zweifel möglichst frühzeitig Unterstützung zu suchen. Und zwar auch, wenn man unsicher ist, ob man überhaupt Therapie benötigt: »Menschen mit psychischen Beschwerden zögern in der Regel zu lange, bis sie Hilfe aufsuchen, und entwickeln so Erkrankungen.« Die eigenen Symptome zu googeln oder sich mit Amateurtests selbst zu diagnostizieren, sei dabei keine gute Idee. Betroffene könnten sich und ihre Symptome möglicherweise nicht vollumfänglich einschätzen, sagt Dietrich Munz, dazu käme, dass komplexere Krankheitsbilder oft erst in einem Gespräch in ihrer Gänze sichtbar würden. Es ist häufig so, dass eine Person mit Symptomen wie Schlaflosigkeit oder Niedergeschlagenheit davon ausgeht, dass sie an einer Depression leidet, sich dahinter aber ein breiteres Krankheitsbild wie eine posttraumatische Belastungsstörung verbirgt.«  

2. Wer sagt mir, ob ich eine Therapie brauche?

Der erste Schritt auf dem Weg zur ambulanten Psychotherapie ist die sogenannte psychotherapeutische Sprechstunde, ein unverbindliches, niedrigschwelliges und kostenloses Erstgespräch, bei dem eine Therapeutin die Beschwerden einschätzt und eine Diagnose stellt, Sie über den weiteren Behandlungsbedarf sowie Therapieoptionen aufklärt und Fragen beantwortet. Um eine solche Sprechstunde wahrzunehmen, ist weder eine ärztliche Überweisung noch eine vorherige Absprache mit der Krankenkasse notwendig. Dietrich Munz beschreibt die Sprechstunde als Eintrittstor zur Psychotherapie. Sie können sie auch beanspruchen, wenn Sie unsicher sind, ob Sie überhaupt eine Therapie benötigen oder wünschen – dazu ermutigt die Kammer explizit.

»Selbst, wenn kein Therapiebedarf festgestellt wird, gibt es Beschwerden, um die sich gekümmert werden muss, weil sie sich sonst zu einer Erkrankung entwickeln können«, sagt Munz. »Wenn Sie keine Therapie benötigen, werden Sie nicht einfach abgewimmelt. Wir können dann individuell beraten und überlegen, welche weiteren Schritte möglich sind, über Präventivangebote aufklären oder Kontakte zu weiteren Beratungsmöglichkeiten herstellen.« 

Es ist vergleichsweise einfach, schnell einen Termin für eine Sprechstunde zu erhalten, weil Therapeutinnen und Therapeuten mit Kassensitz verpflichtet sind, eine gewisse Anzahl an Sprechstundenterminen anzubieten. Sie können einen Termin telefonisch unter der 116117 ausmachen oder persönlich Therapeutinnen und Therapeuten mit Kassensitz kontaktieren – deren Adressen finden Sie bei der Kassenärztlichen Vereinigung Ihres Bundeslandes. Wichtig ist nur, dass Sie erwähnen, dass es sich um die Sprechstunde handelt, nicht um die Behandlung an sich.

Zur Sprechstunde selbst müssen Sie dann nur eine Versichertenkarte mitbringen. Die Sprechstunde dauert 50 Minuten und kann bei Bedarf um einige weitere Termine erweitert werden, oft helfen die schon ein ganzes Stück weiter. Am Ende erhalten Sie das sogenannte PTV11, ein Formular, auf die Diagnose sowie Empfehlungen zum weiteren Vorgehen vermerkt sind. Sind Sie einer akuten Belastung ausgesetzt, können Therapeutinnen und Therapeuten im Rahmen einer sogenannten Akutbehandlung schnell Anschlusstermine anbieten.    

3. Wer zahlt meine Therapie?

Krankenkassen übernehmen die Kosten, wenn die Psychotherapie für die Behandlung von psychischen Störungen mit sogenanntem Krankheitswert notwendig ist. Dazu gehören beispielsweise Depressionen, Angststörungen, Zwangsstörungen oder Süchte. Bevor eine von der gesetzlichen Krankenkasse finanzierte Therapie beginnen kann, muss in der Regel im Rahmen einer psychotherapeutischen Sprechstunde eine Diagnose gestellt werden.

Zu den in Deutschland von den gesetzlichen Krankenkassen anerkannten ambulanten Verfahren (auch: Richtlinienverfahren) gehören zurzeit: die analytische Psychotherapie, die tiefenpsychologisch fundierte Psychotherapie, die Verhaltenstherapie und die Systemische Therapie. Die Verfahren unterscheiden sich in Ansatz und Umfang – welches für Sie geeignet ist, klären Sie in der psychotherapeutischen Sprechstunde. Dort erhalten Sie auch das PTV10, ein Formular, auf dem die Verfahren beschrieben werden. Wer die Behandlungskosten privat übernimmt, hat eine größere Auswahl an Therapieformen.  

4. Wie suche ich einen Therapieplatz?

Wird in der Sprechstunde festgestellt, dass eine psychotherapeutische Behandlung ratsam ist, können Sie eine Psychotherapie beginnen. Der einfachste Weg ist, die Therapie dort zu beginnen, wo Sie in der Sprechstunde waren. Allerdings ist das nicht immer möglich: Therapeutinnen und Therapeuten mit Kassensitz sind verpflichtet, eine gewissen Zahl an Sprechstunden auch dann anzubieten, wenn sie selbst gar keine freien Therapieplätze anbieten können. Kommen Sie in der Praxis, in der Sie die Sprechstunde wahrgenommen haben, nicht unter, beginnt die Suche. Fragen Sie aber in diesem Fall unbedingt nochmal in der Praxis nach, in der Sie die Sprechstunde gemacht haben: Vielleicht kann Ihnen dort ein Kontakt vermittelt werden.

Falls nein, gibt es verschiedene Wege, wie Sie weitermachen können. Der eine: Sie wenden sich an die Terminservicestellen der Kassenärztlichen Vereinigung. Die haben den Auftrag, einen Termin bei einem Psychotherapeuten oder einer Psychotherapeutin innerhalb von vier Wochen in Ihrer Umgebung zu vermitteln. Allerdings können Sie dort nicht bestimmen, wann und wo genau der Termin ist und wer Sie behandelt. Terminservicestellen erreichen Sie unter der Telefonnummer 116 117 oder online beim Terminservice.

Der andere Weg: Sie können sich selbstständig an Therapeutinnen und Therapeuten mit Kassensitz wenden, nach einem Termin fragen und sich gegebenenfalls auf Wartelisten eintragen lassen. Wenn Sie Kontakt mit einer Therapeutin oder einem Therapeutin aufnehmen, sollten Sie unbedingt mitteilen, wenn Sie schon bei der Sprechstunde waren und was dort empfohlen wurde – die Empfehlungen sind auf Ihrem Formular PTV11 vermerkt. Außerdem sollten Sie beim ersten Kontakt beschreiben, was Sie zur Therapie bringt, ob sie schon einmal Therapie gemacht haben und was Sie sich von der Therapie wünschen.

»Sie können sich das vorstellen wie in einer Arztpraxis«, sagt Sema Sari, Psychotherapeutin in Berlin. »Da fragen Arzthelferinnen oder Arzthelfer bei der ersten Kontaktaufnahme auch, welche Symptome vorliegen, und man beschreibt das Anliegen.« Sari empfiehlt, bei der ersten Kontaktaufnahme den Leidensdruck sowie das Anliegen zu schreiben und außerdem folgende Eckpunkte anzugeben: das Alter, das Geschlecht, die Erwartungen an die Therapie, ob Sie schon einmal Therapie gemacht haben sowie wie und wo Sie erreicht werden können. Von standardisierten Anschreiben rät sie ab. »Als Therapeutin achte ich schon bei der ersten Kontaktaufnahme darauf, was die Motivation der Person ist und mache mir einen ersten Eindruck. Das geht bei Standard-Anschreiben kaum.«  

5. Wie genau gehe ich bei der Suche vor?

Vor allem wenn der Leidensdruck hoch ist und man auf sich allein gestellt ist, kann die Suche herausfordernd sein, sagt Sema Sari. Sie hat drei Ratschläge.

Der erste: Mitschreiben. »Protokollieren Sie, wen Sie wann angerufen haben, wer wie lange Wartezeiten hat, von wem Sie wieso eine Absage erhalten haben oder wer gar nicht geantwortet hat.« Das hilft nicht nur, sich zu strukturieren und den Überblick zu behalten, sondern kann auch später wichtig werden, wenn man keinen Platz findet und ein Kostenerstattungsverfahren anstrebt – dazu weiter unten mehr.

Der zweite Tipp: Wenn die Sprechzeiten nicht online angegeben sind, haben viele Therapeutinnen und Therapeuten diese auf ihren Anrufbeantworter gesprochen. Auch gut: Probieren Sie es telefonisch am besten immer zehn Minuten vor der vollen Stunde. Da Behandlungen oft 50 Minuten dauern, gibt es dort einen zehnminütigen Slot mit den größten Erfolgsaussichten, jemanden zu erreichen.

Der dritte Tipp von Sari: nachfragen! »Erkundigen Sie sich bei der Krankenkasse, wie Sie weiter vorgehen sollen. Haken Sie freundlich bei Praxen nach, falls diese Ihnen eine Zeit lang nicht antworten, um sicherzugehen, dass die Anfrage nicht übersehen wurde. Fragen Sie auch Freunde und Bekannte, die Therapie machen, wie sie einen Platz gefunden haben«, sagt Sari. »Es kommt gelegentlich vor, dass Personen mir während der Therapie von Bekannten erzählen, die einen Therapieplatz suchen, und ich zufälligerweise einen Kontakt vermitteln kann oder eine Kollegin kenne, die gerade Plätze frei hat.« 

Der vierte Tipp schlißlich klingt banal, ist aber ungemein wichtig: Man muss dranbleiben. »Die Suche nach einem Therapieplatz ist leider oft kompliziert, nimmt Zeit in Anspruch und kann überfordernd oder sogar ernüchternd sein«, sagt Sari. »Das liegt nicht an Ihnen. Geben Sie sich Zeit und lassen Sie sich nicht entmutigen, wenn es nicht so schnell geht, wie gewünscht – am Ende wird es sich lohnen, wenn Sie einen Platz haben.«

Sema Sari, Psychologische Psychotherapeutin aus Berlin.

Foto: privat

6. Was, wenn ich keinen Therapieplatz finde?

Wenn Sie keinen Therapieplatz finden oder nur unzumutbar lange Wartezeiten angeboten bekommen und auch die Terminservicestelle keinen Platz vermitteln kann, gibt es noch einen weiteren Weg: das sogenannte Kostenerstattungsverfahren. Das Kostenerstattungsverfahren bietet gesetzlich Versicherten die Möglichkeit, sich bei psychischen Beschwerden in Privatpraxen auf Kosten der gesetzlichen Krankenversicherung behandeln zu lassen. Der Hintergrund: Krankenkassen sind verpflichtet, die Versicherten zu versorgen. Können Sie trotz nachweislich dringendem Therapiebedarf und gründlicher Suche erst nach unzumutbar langer Wartezeit eine Therapie beginnen, kommt die Krankenkasse diesem Auftrag nicht nach. Sie haben bei einem solchen sogenannten Systemversagen die Möglichkeit, einen Antrag zu stellen, um die für Sie notwendige psychotherapeutische Behandlung anderweitig wahrzunehmen.  

Das Kostenerstattungsverfahren ist auf den ersten Blick aufwendig: es besteht aus mehreren Schritten, nimmt einige Zeit in Anspruch und kann sich je nach Krankenkasse unterscheiden – außerdem kann der Antrag auch abgelehnt werden, da es sich bei dem Verfahren um Einzelfallentscheidungen handelt. Am besten informieren Sie sich im Vorhinein bei Ihrer Krankenkasse über den genauen Ablauf und die Anforderungen. Falls Sie schon mit einem Privattherapeuten oder einer Privattherapeutin in Verbindung stehen, der oder die Ihre Therapie bei einer Kostenerstattung übernehmen würde, können Sie auch hier Unterstützung bekommen.

7. Wo kann ich mich noch behandeln lassen?

Neben den psychotherapeutischen Behandlungsoptionen in Praxen, die in diesem Artikel vor allem beschrieben werden, ist es auch möglich, in psychotherapeutische Ambulanzen von Hochschulen und Krankenhäusern behandelt zu werden – dort finden Sie gegebenenfalls sogar zügiger einen Therapieplatz. Außerdem ist vor allem bei besonders schwerwiegenden Fällen oder wenn Sie in einem belastenden Umfeld sind, eine stationäre Behandlung in einem Krankenhaus möglich. Dafür benötigen Sie in der Regel eine Überweisung einer Ärztin, eines Psychiaters oder einer Psychotherapeutin.  

8. Woher weiß ich, dass der Therapeut oder die Therapeutin für meine Beschwerden richtig ist?

Wer sich nach einer Therapie umsieht, wird bei einigen Therapeutinnen und Therapeuten auf verschiedene Weiterbildungen, Bezeichnungen oder Titel stoßen. Es gibt beispielsweise Psychotherapeutinnen, die Suchterkrankungen spezialisiert und dafür Fortbildungen besucht haben – oder Therapeuten, die explizit angeben, für bestimmte Themenbereiche sensibilisiert zu sein, etwa für queere Fragen oder für besonders sensible Themen wie sexualisierte Gewalt.

»Nach ihrer Ausbildung haben alle Psychotherapeutinnen und Psychotherapeuten mit Approbation zunächst einmal dieselbe Qualifikation, um psychotherapeutisch zu arbeiten«, sagt Sema Sari. »Wenn es einem wichtig ist und das sich gut anfühlt, dann ist es eine legitime Option, die Therapie bei einer Person zu machen, die sich mit dem jeweiligen Anliegen besonders gut auskennt. Aber ich würde dazu raten, sich möglichst nicht einzugrenzen zu lassen und bei der Suche offen zu bleiben. Am Ende ist das Wichtigste, dass die Therapeut-Patient-Beziehung passt.« Ob weitere fachliche Hilfe oder die Behandlung durch eine Expertin notwendig sind, kann auch in der psychotherapeutischen Sprechstunde besprochen werden.

Auch eine Behandlung in einer Privatpraxis unterscheidet sich nicht von einer Behandlung über die Kasse. Therapeutinnen und Therapeuten, die eine Approbation haben, verfügen grundsätzlich über dieselbe Qualifikation – unabhängig davon, ob Sie einen Kassensitz haben oder in einer Privatpraxis arbeiten.  

9. Ich habe einen Therapieplatz gefunden. Und jetzt?

Haben Sie einen Therapieplatz gefunden, müssen Sie zunächst mindestens zwei probatorische Sitzungen wahrnehmen. Bei der sogenannten Probatorik geht es laut Sari vor allem um zwei Dinge: Einerseits wird eine vertiefte Diagnose gestellt und über einen Therapieplan sowie Ziele gesprochen. Darüber hinaus geht es darum, dass die Behandelnden und die Behandelten sich kennenlernen und schauen, ob sie zusammenpassen.  

»Als Therapeutin achte ich beispielsweise darauf, welchen Eindruck die Person macht, welche Wünsche und Erwartungen sie mit sich bringt, ob sie zuverlässig ist und welche Therapie- und Veränderungsmotivation sie hat«, erklärt Sari. »Das transparent zu besprechen ist wichtig, weil es, um die individuellen Therapieziele zu erreichen, in der Regel notwendig ist, dass Patientinnen vertraute Wege verlassen und sich trauen, neue Wege zu suchen und auszuprobieren. Therapie kann vor allem anfangs schmerzhaft und unangenehm sein und Patienten können gegenüber der Therapeutin durchaus Gefühle wie Wut entwickeln. Da ist ein vertrauensvolles Verhältnis ungemein wichtig.«

Möchten Sie die Therapie weiterführen, müssen Sie noch in einer Arztpraxis einen Konsiliarbericht einholen, der ausschließt, dass körperliche Ursachen für Ihre Symptome verantwortlich sind. Nach den probatorischen Sitzungen können Sie gemeinsam mit dem Konsiliarbericht einen Antrag bei der Krankenkasse einreichen, damit diese die Therapie übernimmt.   Sollten die Beteiligten in der Probatorik mit der Therapiekonstellation unzufrieden sein, ist es an dieser Stelle möglich, nochmals nach anderen Therapeutinnen oder Therapeuten zu suchen.  

10. Muss ich mich auf die Therapie vorbereiten?

Sari rät dazu, sich vor Beginn der Therapie ganz grundsätzlich zu überlegen, welche Erwartungen man an den Prozess hat, und sich gesondert vor jeder Sitzung – beispielsweise auf dem Weg zur Praxis – zu überlegen, welche Themen oder Konflikte man ansprechen möchte. »Als Therapeutin begleite ich Prozesse, ich kann Denkanstöße und Impulse geben, aber die Themen müssen von den Patientinnen und Patienten selbst kommen«, erklärt sie. Außerdem empfiehlt die Therapeutin, nach den Sitzungen die wichtigsten Erkenntnisse sowie neue Fragen aus dem Gespräch schriftlich festzuhalten. Das hilft, sich der eigenen Entwicklung bewusst zu werden, die Sitzung festzuhalten und sich auch zwischen den Sitzungen weiter emotional mit den Themen auseinanderzusetzen. »Ich empfehle, sich ein kleines Heft wie ein Tagebuch anzulegen. Dann kann man, auch wenn die Therapie zu Ende ist, immer wieder darauf zurückgreifen.«

11. Wie kann ich die lange Wartezeit auf einen Therapieplatz überbrücken?

Sowohl Sema Sari als auch Dietrich Munz raten dazu, in der Wartezeit im eigenen Umfeld nach Möglichkeiten zu suchen, um entlastende Gespräche zu führen. »Das kann ein Gespräch mit engen Vertrauten sein, mit einer Freundin oder einem Freund, aber auch mit Familienangehörigen oder im Fall von gläubigen Personen mit Seelsorgern«, erklärt Munz. »Auch klassische Selbsthilfegruppen sind nicht zu unterschätzen, weil es hier Raum gibt, mit all den eigenen Sorgen und Ängsten offen umzugehen und sichtbar zu sein. In einer Selbsthilfegruppe kann man üben zu formulieren, was für Schwierigkeiten man hat, sich diese Schwierigkeiten so eingestehen und merkt gleichzeitig: Ich bin mit meinen Sorgen nicht alleine.«

Eine weitere Option sind Beratungsstellen, die von Städten oder Verbänden getragen werden und in denen Sozialarbeiter sowie Psychotherapeutinnen in der Regel kostenlos beraten. Beratungsstellen haben entweder bestimmte Themenbereiche (wie Sexualität oder Sucht) oder richten sich an bestimmte Gruppen (wie Jugendliche, Frauen oder Paare). Ein Beispiel: Personen, die wegen einer Suchterkrankung nach Beratung suchen, können bei der Einrichtungssuche der Deutschen Hauptstelle für Suchtfragen nach einer Einrichtung in ihrer Nähe suchen.

Weiterführende Links:

Hier finden Sie...

... eine übersichtliche, interaktive Übersicht über die Wege zur Psychotherapie von der Bundespsychotherapeutenkammer.

... alle Broschüren der Deutschen Psychotherapeutenvereinigung zu bürokratischen Fragen rund um die Therapiesuche und konkreten Krankheitsbildern.

... Anlaufstellen für psychotherapeutische Behandlungen bei der Deutschen Depressionshilfe.

... die Therapeuten-Schnellsuche einzelner Krankenkassen: AOK-Gesundheitsnavigator, TK-Ärzteführer, DAK Arztsuche.