Es hat eine Weile gedauert, bis ich wusste, dass ich mit der Frau, die ich liebe, zusammen sein möchte, aber an den Moment, in dem ich es zum ersten Mal spürte, erinnere ich mich genau: Wir waren in einem Restaurant in Schwabing, eher schick, eher teuer, ich trug ein gebügeltes Hemd, sie ihre roten Schuhe.
»Was darf ich Ihnen zu trinken bringen?«, fragte die Bedienung.
»Eine Cola«, sagte sie.
»Light oder Zero?«, fragte die Bedienung.
»Eine Cola«, sagte sie, »eine ganz normale Cola.«
Da war es um mich geschehen, und zwar vor allem weil ich merkte, dass sie kein gesellschaftspolitisches Statement abgeben, sondern einfach trinken wollte, was ihr schmeckt. Das Ganze ist ein paar Jahre her, und ich kann sagen: Zumindest in dieser Hinsicht hat sie sich nicht verändert. Sie trinkt heute noch »ganz normale Cola« und liebt Tiefkühlpizza von Dr. Oetker, »schmeckt mir einfach besser als beim Italiener«, sagt sie immer, aber das ist eine andere Geschichte.
Coke Zero Sugar also. Oder wie Pepsi-Fans sagen: Pepsi Max. Ich selbst habe mich jahrelang geweigert, das Zeug anzurühren, weil ich davon überzeugt war, dass es erstens nicht schmecken kann und dass ich zweitens ewig schlank bleibe. Beide Thesen haben sich als falsch herausgestellt: Cola ohne Zucker schmeckt okay (muss an den Süßungsmitteln liegen), wenn es richtig kalt ist, merkt man den Unterschied kaum. Und die Sache mit dem Gewicht, na ja, ist vielleicht auch eine andere Geschichte.
Als ich klein war, stand Coca-Cola für alles, was ich mir für mein späteres Leben erhoffte. Coca-Cola, das war der Marlboro-Mann für Nichtraucher, ein Symbol für Freiheit und Glück, ich befürchte, es schwang sogar eine Begeisterung für Amerika mit. Inzwischen steht Coca-Cola vor allem für verengte Herzkranzgefäße. Trotzdem komme ich mir bis heute albern vor, wenn ich gelegentlich eine Cola ohne Zucker trinke. Allein die Bestellung, »eine Coke Zero Sugar, bitte«, fällt mir schwer, ist mir peinlich, klingt nach einem Agentur-Meeting mit Moos an den Wänden. Ich habe das Gefühl, als ginge ich einer Marketingstrategie auf den Leim, als hätte mich der Zeitgeist weichgekocht, als wäre ich – im Gegensatz zu meiner Freundin – am Ende doch eingeknickt, und das, obwohl ich weiß, dass die zuckerfreie Cola tatsächlich gesünder oder sagen wir: weniger schädlich ist.
Als ich darüber nachdachte, warum das so ist, stieß ich auf einen Werbespot mit Manuel Neuer: Mit dem Slogan »Deine Saison. Null Kompromisse« warb der Torhüter vor ein paar Jahren für Coke ohne Zucker. Irgendwas störte mich an dem Satz. Er stimmt, denn das Zeug ist ja in der Tat kompromisslos zuckerfrei, aber er ist auch verlogen, weil Cola ohne Zucker per se ein Kompromiss, ja die Metapher des modernen Menschen schlechthin ist, der ständig Genuss ohne Reue und Gewinn ohne Verlust, ja eigentlich alles Mögliche haben, aber keinen Preis dafür zahlen will.
Der slowenische Philosoph Slavoj Žižek hat mal gesagt, man bekomme heutzutage ständig Dinge angeboten, bei denen exakt der Teil fehle, der sie konstituiere, sie zu dem mache, was sie ihrem Wesen nach sind: »Wir haben Bier ohne Alkohol, Fleisch ohne Fett, Kaffee ohne Koffein – und sogar virtuellen Sex ohne Sex.« Was ich sagen will: Cola ohne Zucker? Kann man schon trinken. Trotzdem sollte man aufpassen: Nicht dass man am Ende ein Leben ohne Lebendigkeit führt.