Dubai, Dubai, überall

Kakao, Eis, Churros, Erfrischungsgetränke – alles gibt es jetzt in der Geschmacksrichtung Dubai-Schokolade. Das nervt unsere Autorin, sie kann sich den Hype trotzdem erklären: Es ist als Smalltalk-Thema schön bequem.

Foto: Erli Grünzweil

Es war ein Sonntagnachmittag im schönsten deutschen Bahnhof. Leipzig. Ich wollte mir nach einem Arbeitstag einen Snack kaufen. Ein Laden versprach gute Pommes. Er hieß sogar etwas mit Pommes, dort also, so schloss ich, hatte man sich auf Pommes spezialisiert. So war es nicht. Blick auf die Karte, kleiner Schreck: Es gab auch Dubai-Churros mit Pistaziensprenkeln. Ich kriege bei Dubai-Produkten schlechte Laune. Im Penny palettenweise Pistazien-Wasser, also Dubai-Drinks. Pistazien-Krapfen beim Bäcker, natürlich als Dubai-Edition beworben. Selbst unser Eisladen bietet seine Sorte Pistazie inzwischen als Dubai-Eis an. Jeder Kakao mit grünem Sirup-Schwenk ist nun ein Dubai-Kakao. Mich nervt das. Und ich glaube, es geht tief.

Ich denke, Dubai-Schokolade verdankt den Hype ihrem Gesprächspotenzial. Dubai-Schokolade wurde neben der Flasche Wein zum Mitbringsel Nummer eins, Gastgeschenk, Wichtel­präsent. War es doch so wunderbar aufgeladen. Schokolade, aber auch ein potenzielles Themenfeuerwerk. Wo kam sie her, überall ausverkauft, Pistazien oft verschimmelt, Urheberrechtsstreitigkeiten – zu jeder Tafel gab es gratis Small Talk dazu. Und teuer genug, um als echtes Geschenk durchzugehen, war sie auch.

Dass die Schokolade so er­folg­reich wurde, führe ich darauf zurück, dass Deutschland rund um Weihnachten, im Winterwahlkampf, einfach nichts Relevantes bereden wollte. Es gab genug, aber Streit sollte nicht sein, und zu moralisch will auch niemand mehr rüberkommen, schließlich hatte die Wokeness ja gerade eine fiese Klatsche kassiert, Trump zurück, Ampel im Eimer. Dann doch lieber diesen kulinarischen Elfmeter verwandeln: Was ist das bloß für ein Wirbel um eine Schokolade? Habt ihr denn schon mal probiert? Ist ja überall ausverkauft. Wir haben was da! Ohh! Ahh! Fröhliches Fest.

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Wann lernt man eigentlich, sich gut und gepflegt und ernsthaft zu unterhalten?

Wenn ich an meine ersten Gespräche denke, an jene Zeit, als man nicht mehr spielte, sondern in einem Kinderzimmer auf dem Hochbett saß oder an irgendwas herumturnte und redete, dann ging es meistens um andere Mädchen, um Jungs, um Zusammenhänge, Blicke, Zettelchen, Beliebtheiten. Waren das überhaupt Unterhaltungen oder war das nur Sozialgefüge-Durchkauen? Unterhalten hat es uns jedenfalls nicht, nur grob abgesichert. War man sich über die Nervigkeit von Klara einig, war man eng. Freundschaften ent­standen über die Ablehnung anderer. Und so richtig ging das leider nie weg. Klar wird das Lästern später elaborierter. Man macht sich dann vor allem Sorgen. »Was ist nur mit der Sarah, ich glaube, die ist nicht glücklich.« Im Modus der Mitfühlenden darf dann jede Gemeinheit besprochen werden: Sarahs Hautbild, der unhöfliche Mann, das verhaltensauffällige Kind, ihre ungelenk ausgewählten Sommerschuhe. Sie hat es echt nicht leicht.

Könnte sich womöglich die Welt verändern, wenn Mädchen über etwas reden würden, was sie gut finden, statt darüber, wen sie blöd finden? Wenn sie schon früh lernen würden, etwas Eigenes zu finden – einen Sport, ein Interesse, eine Manie von mir aus. Die Liebe zur Musik, eine Lego-Sucht, zur Not eine Sammelkarten-Störung.

Natürlich kann die Schokolade nichts dafür, und auch all die Folgeprodukte nicht, die versuchen, einen kleinen Redeanteil abzubekommen. Bloß: Wenn ich sie sehe, denke ich an all den Mist, der besprochen wird und der besprochen wurde, von mir und anderen, überall auf der Welt. Aber über Pistazienprodukte zu lästern ist ja keine Lösung. Ich drehe das jetzt um, ich freue mich auf all die echten, relevanten, erhebenden, anpackenden, konstruktiven Gespräche, die man im Sommer auf kühlen Mauern sitzend führen kann, während man Dubai-Nüsse knackt.