Zuhause ist das bessere Italien

Auf Capri sind Schuhe mit lauten Absätzen verboten, in Portofino das Barfußgehen. Urlaub machen wird immer komplizierter, findet unsere Kolumnistin. Mit diesem Drink aber kommt der Italienurlaub zu ihr.

Foto Erli Grünzweil

Einfach buchen und los. Man denkt sich das so simpel. Packen, wegfahren und dann woanders total glücklich sein. Ich glaube, Urlaub ist heute komplizierter denn je. Früher war Urlaub nicht politisch, und niemand hatte Instagram.

Das Bewusstsein darüber, dass man irgendwo nicht hingehörte oder die Einheimischen sogar störte, gab es nicht. Die Freizügigkeit in der EU, das grausame Gegenbeispiel der Ostdeutschen, die nicht rausdurften – im Westen der Achtzigerjahre fühlte man sich geradezu dazu aufgefordert, in die Welt zu ziehen. Wer reiste, hatte recht. So bin ich aufgewachsen. Ich sollte mich zwar als Kind am Urlaubsort immer etwas besser benehmen. Ich nehme an, weil wir Deutsche waren und schon genug Unheil über den Kontinent gebracht hatten, da muss ja nicht auch noch der gläserne Eisbecher auf der Piazza zerschellen. Aber sonst fühlten wir nur Berechtigung, keine Scham.

Heute ist Urlaub beschwerter geworden – auf viele Arten. Vor einigen Wochen veröffentlichte die Hamburger Stiftung für Zukunftsfragen folgende Zahl: 21 Prozent der deutschen Familien können es sich nicht leisten, zusammen eine Woche Urlaub im Jahr zu machen. Wer heute aufbricht, einmal, zweimal, dreimal im Jahr, fährt mit dem un­guten Gefühl, einfach nur mehr Glück gehabt zu haben. Und falls er fliegt, eine Kreuzfahrt unternimmt oder Auto fährt, auch noch mit dem bohrenden Verdacht, dass er all denen, die gerade nicht reisen können, auch noch die Möglichkeit nimmt, es in der Zukunft zu tun. Manche Urlaubsziele werden de facto nicht mehr da sein, andere einfach nur weniger ursprünglich und stärker reguliert: Zu viele Touristen treffen inzwischen auf immer selbstbewusstere Einheimische. Für viele Orte braucht man inzwischen Eintrittskarten oder bucht Time­slots, auf Capri sind Schuhe mit lauten Absätzen verboten, in Portofino das Barfußgehen oder in Badekleidung rumzuhängen. Manches mag rüpeliges Verhalten adressieren, aber manches hilft auch einfach nur beim Geldmachen: Picknicks etwa sind verboten. Es gibt zwar ein Getränk namens »Golden Hour in Portofino« – aber vor Ort dürfte das unter freiem Himmel nur die Gastronomie ausschenken. Mitgebrachter Alkohol auf der Piermauer ist verboten. Auch solche Regeln werden Reisen noch mal elitärer machen.

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In lustigem Kontrast zu dieser ständigen Professionalisierung von Urlaub stehen die Erwartungen der Urlauber. Klar gibt es auch diejenigen, die seit Jahr und Tag an denselben Ort fahren und froh sind, wenn dort alles reibungslos abläuft und sich das Gleiche einlöst wie schon im Jahr zuvor: Büfett ist gut, Weißwein inklusive, und die Sonne geht zuverlässig über dem Meer unter. Aber wer relevante Zeit auf Insta­gram verbringt, kann sich auch dem dort vorherrschenden Ideal nicht entziehen: Da will man vielleicht auch den gewohnten Spezialkaffee mit Oat Milk am Morgen – aber eben auch unerwartete Fotos für Insta, zufällig auf einer Dachparty landen und mindestens eine echte Erfahrung mit Einheimischen machen. Man will sich gerade nicht mehr als ein Urlauber von vielen abspeisen lassen, sondern eine Sonderbehandlung: richtig eintauchen, neue Freunde finden, leben wie Emily in Paris. Kaum angekommen, schon mittendrin.

Airbnb trägt diesem Wunsch jetzt Rechnung. Man kann auf der Plattform nun nicht mehr nur authentische Unterkünfte buchen, sondern auch authentische Erlebnisse. Ein echter Pariser erklärt dir abends in der Bar den Digestif, ein Römer fährt dich auf der Vespa ums Kolosseum, mit Finnen eisfischen.

Aber was ist er denn jetzt, der beste Urlaub? Ich glaube, es wird immer komplizierter, aber paradox war es schon immer. Man kann buchen und packen und fahren, wohin man will, aber dann muss man loslassen. Der gute Urlaub kommt zu dir.