Prost, Anke!

Unser Autor weiß schon jetzt, wie er Anke Engelkes nahenden runden Geburtstag zelebrieren wird – und das, obwohl er kein Freund deutschsprachiger Unterhaltung ist. Doch bei ihrem Anblick fühlt sich für einen Moment alles richtig an. 

Foto: Erli Grünzweil

Eigentlich gehöre ich zu den Menschen, die am Nachmittag noch nicht wissen, was sie am Abend vorhaben könnten, aber der Plan für den 21. Dezember steht, seitdem ich aufgeschnappt habe, dass Anke Engelke an diesem Tag einen runden Geburtstag feiert, und nein, es ist nicht der fünfzigste: Ich werde mir ein Glas Champagner einschenken, »Prost, Anke!« sagen und diese erstaunliche Frau, die mich schon mein ganzes Leben lang begleitet, ohne dass wir uns jemals begegnet sind, für einen Moment hochleben lassen. Von mir aus muss sie es nicht mal mitkriegen, sollten Sie ihr also begegnen, erzählen Sie ihr bitte nichts von diesem Text.

Im Übrigen bin ich kein Engelke-Fan, ich stolpere eher zufällig über ihre Auftritte, beim Zappen oder auf Youtube, aber wann immer ich sie irgendwo sehe, zuletzt in einer schlaflosen Nacht als Gast in der Harald-Schmidt-Show vom 18. August 1999, ist sie grandios. Gleich­zeitig weiß ich nichts über ihr Privatleben, ein Umstand, der mir berühmte Menschen grundsätzlich sympathisch macht. Jedenfalls, als ich von ihrem bevorstehenden Festtag erfuhr, erfasste mich ein Bewusstseinsstrom, gegen den ich mich nicht wehren konnte, der mich einfach mitriss. Auf einmal war da wieder das ZDF-Ferienprogramm mit Anke und Benny, das ich im Hochsommer 1983 bei heruntergelassenen Jalousien im Halbdunkel schaute; da waren unzählige ins Groteske spielende Ladykracher-Sketche, etwa Engelke als Kommissarin Bi-Ba-Butzemann, die Tatverdächtige durch das Vortragen von Kinderliedern überführt; da war diese außerordentlich gekonnte Moderation des Eurovision Song Contest 2011, während der man sich en passant von den Vorzügen einer dreisprachigen Erziehung in Montreal überzeugen konnte; da war der skurrile Gastauftritt in der Prime-Video-Serie Die Discounter, als sie dem mäßig erotischen Supermarktangestellten Jonas Schulze nicht nur ein Selfie gewährt, sondern auch gleich die Zunge in den Hals schiebt; da ist die Web-Serie Boah, Bahn!, von der sich ganz unpolemisch behaupten lässt, dass sie unter den vielen Schlagzeilen, welche die Deutsche Bahn in den vergangenen Jahren gemacht hat, die einzige nicht negative ist. Am Ende meinte ich erkannt zu haben, was ich immer geahnt, aber nie bewusst gedacht hatte, nämlich dass diese Anke Engelke aus dem Heer deutscher Fernsehnasen so offensichtlich herausragt, dass es fast schon wieder unelegant ist, darauf hinzuweisen.

Nein, ich bin kein Freund deutschsprachiger Unterhaltung: Die meisten Comedians finde ich bemüht, die meisten Filme schablonenhaft, die meisten Mode­ratoren angepasst. Fernsehen schaue ich seit Jahren nicht mehr, zu wenig Mut, zu wenig Originalität, zu viel Selbstgewissheit. In dieser Welt des biederen Scheins schwebt Anke Engelke wie eine Göttin umher. Sie taucht auf, macht den Unterschied aus, taucht wieder ab. Selbst in ihren komischsten Momenten ist sie nie eine Ulknudel, sondern immer eine Lady, prominent, aber geheimnisvoll, schlagfertig, aber diskret. Ihr Humor ist präzise, oft warmherzig und mitunter böse, aber nie zynisch. Anke Engelke wirkt frei, auch angstfrei, biedert sich nicht an, strahlt eine unzerstörbare Würde aus. Man wird ihrer nicht überdrüssig, weil sie diszipliniert genug ist, sich nicht zu jedem Thema zu äußern, vielleicht weiß sie auch einfach, dass man fast immer gewinnt, wenn man den Mund hält. Von Kitsch hält sie sich ebenso fern wie von ideologischem Furor und zur Schau gestellter Moral, gleichzeitig ahnt man, dass sie sehr wohl eine starke Meinung samt Prinzipien hat. Also noch einmal: Ich kenne diese Frau nicht, aber sie ist nicht nur eine brillante Schauspielerin, es geht auch etwas Gutes und Warmes von ihr aus, und wann immer ich sie sehe, fühlt sich für einen Moment alles richtig an.