Ich war gerade 13 geworden, die Kontrolle war eher lasch (»Viel Spaß!«), und so saß ich im Kino und schaute Rambo III mit Sylvester Stallone, einen Film, der später mit seinen 221 Gewalttaten und 108 Toten als »brutalster Film« ins Guinness Buch der Rekorde aufgenommen wurde. Interessanterweise ist mir ausgerechnet eine lustige Szene in Erinnerung geblieben. Manchmal sehe ich sie mir auf Youtube an. Ich mag es, wenn man lachen muss und gleichzeitig traurig wird, weil man spürt, wie das eigene Leben unaufhaltsam voranschreitet. Jedenfalls steht Rambo in den afghanischen Bergen und erklärt einem Mudschahedin-Kämpfer namens Hamid seine Ausrüstung. »Was ist das?«, fragt Hamid, als Rambo einen Sprengzünder aus der Kiste zieht. »Sprengzünder«, sagt Rambo. Dann kramt er einen weiteren Gegenstand hervor, der sich nicht auf Anhieb identifizieren lässt. »Was ist das?«, fragt Hamid. »Das ist blaues Licht«, sagt Rambo. »Und was macht es?», fragt Hamid. »Es leuchtet blau«, sagt Rambo.
Ehrlich gesagt, habe ich nicht viel Ahnung von Gin. Als es vor einigen Jahren schick wurde, sich über die Vorzüge von Gin-Sorten auszutauschen, war ich mit meinen Gedanken woanders. Werde ich in einer Bar gefragt, welchen Gin ich in meinem Gin Tonic haben möchte, sage ich grundsätzlich »Bombay Sapphire«, aber nicht, weil er mir am besten schmeckt, das kann ich gar nicht beurteilen, sondern weil mir die Flasche gefällt. Und warum gefällt sie mir? Weil sie so schön blau leuchtet, genau wie das blaue Licht in Rambo III. Es hat eine Weile gedauert, bis ich es mir eingestanden habe, aber ich komme tatsächlich für drei Sekunden gut drauf, wenn ich die saphirblaue Flasche irgendwo entdecke. Deswegen steht auch eine in meinem Wohnzimmer, ich komme dran vorbei, beim Staubsaugen oder weil ich die Katze suche, denke an nichts Gutes, mein Blick fällt darauf, und schon schießt von irgendwoher Zuversicht in meinen Körper. Für einen Moment fühlt es sich an, als könne doch noch alles gut werden. So gut kann ein anderer Gin gar nicht schmecken, dass er da mithalten könnte.
Mich beruhigt dieses Blau, es erfrischt mich, macht mir Hoffnung, löst angenehme Assoziationen aus
Ich habe gelesen, dass Hellblau für Ruhe, Reinheit und Frieden steht. Klingt esoterisch, aber wer es widerlegen kann, möge sich bei mir melden. Was soll ich sagen? Mich beruhigt dieses Blau, es erfrischt mich, macht mir Hoffnung, löst angenehme Assoziationen aus. Zum Beispiel erinnert es mich an den Landeanflug auf Los Angeles, wenn man unter sich Tausende hellblauer Rechtecke erkennen kann. Es erinnert mich aber auch an den hellblauen Mantel, den Raffaels Sixtinische Madonna über der Tunika trägt. Es erinnert mich an Vergissmeinnicht, die man unverhofft beim Wandern in den Bergen zwischen Felsbrocken entdeckt. Und es erinnert mich an eine der coolsten Szenen der Serien- und Filmgeschichte, wenn Sonny Crockett und Ricardo Tubbs in Miami Vice zu In the Air Tonight von Phil Collins durch Miami fahren, wenn Sonny schließlich aussteigt, um von einer Telefonzelle aus seine Frau anzurufen, und im Hintergrund diese hellblau-pink leuchtende Neonreklame von »Bernay’s Cafe« ahnungsvoll die Nacht erhellt – ein Café übrigens, das es nie gab.
Bombay Sapphire ist ein Klassiker, angeblich basiert er auf einem Rezept aus dem Jahr 1761, trotzdem, ich habe mich erkundigt, zählt er eher zu den mittelguten Gins. Von mir aus. Der Geschmack ist mir gar nicht so wichtig, ich brauche die Flasche, die aber unbedingt. Sie ist übrigens einem blauen Saphir nachempfunden, den es wirklich gibt, dem berühmten »Star of Bombay«, den die Hollywood-Schauspielerin Mary Pickford von ihrem Mann, dem Stummfilmstar Douglas Fairbanks, geschenkt bekam und der heute im Smithsonian Museum in Washington D. C. zu bestaunen ist.