Ein Mückenstich ist nichts gegen den mütterlichen Juckreiz, mir unter die Nase zu reiben, wie gut ich es doch habe. Thema Einkaufen. Heute, sagte sie mal, könne ich mir im Asia-Markt zwischen 200 Sojasaucen eine aussuchen. Damals musste sie mehr als 300 Kilometer weit fahren, um überhaupt zu einem Asia-Markt zu kommen. Daran dachte ich, als ich letztens bei Rewe eine japanische Pepsi kaufte. Also eine Pepsi mit japanischem Design. Hier im Supermarkt! Mehr als zwölf Softdrinks aus Ostasien lagen da: koreanische Pfirsichlimos, chinesischer Tee, japanische Cola. Ich fragte mich, ob wir jetzt endlich angekommen sind. In Deutschland. In der Mitte der Gesellschaft. Oder wenigstens im Rewe. Schließlich ist Asien längst Teil des deutschen Alltags. Junge Eltern starten den Morgen mit koreanischer Skincare, trinken japanischen Matcha und schicken den kleinen Lukas dann in den chinesischen Kindergarten, damit er vorbereitet ist auf die neue Wirtschaftsordnung. Natürlich weiß man auch, dass Asien mehr als drei Länder hat.
Die Leute sind so stolz, dass sie das auch im Internet zeigen. Auf TikTok sah ich das Video einer Mutter, die prahlte, wie toll ihre kleine Tochter Koreanisch spricht. Nur sprach das Mädchen kein Koreanisch, sondern das, was ein Grundschulkind eben für Koreanisch hält. Die Mutter, die weiß ist, begann, und so plauderten sie auf Nichtkoreanisch. Der Frau folgen mehr als 220 000 Leute, es kam schnell Kritik auf, worauf eine Erklärung von ihr folgte. Sie habe nicht mal gewusst, dass es so was wie Alltagsrassismus gibt (ja, echt). »Koreaner, Asiaten oder Chinesen« (ja, echt) seien einfach interessante Menschen mit interessantem Aussehen und interessanter Sprache, die für sie eben »eine Geheimsprache« sei. Ja, echt. Das ist lustig, weil es vermutlich keine Geheimsprache mehr ist, wenn fast 80 Millionen Koreanerinnen und Koreaner (Nord und Süd) diese Sprache sprechen.
Aber gut, Idioten gibt’s überall. Was soll die Aufregung. Stuss im Internet eben. Wir haben 2025. Das würde doch in einem seriösen Rahmen wie einem seriösen Interview in einer seriösen Sendung des öffentlich-rechtlichen Rundfunks nicht mehr passieren, oder? Oder …?
Sissi Chen, erfolgreiche Food-Bloggerin für chinesische Küche in Deutschland, war Ende Januar von Radio Eins, einem Programm des RBB, eingeladen, um über das chinesische Neujahr zu sprechen. Live. »Augen essen mit, und in China würde man sagen: Die Metaphern essen mit!«, fängt der Moderator Volker Wieprecht da so fröhlich wie wirr an. »Das Jahr der Schlange ist dann nicht, also … Schlangensuppe gibt’s nicht?« Chen lacht das weg, nee, nee. Er versucht es noch mal: »Überhaupt viele Dinge, von denen Sie sagen, Sie vermissen sie in Europa, weil sie in China eben traditionell doch gegessen werden – ich will jetzt nicht von den vielbeschriebenen Hunden anfangen …«. Kunstpause. Chen: »Äh, ich hab die Frage nicht verstanden.« Wieprecht fragt – diesmal hundelos – erneut nach dem Essen, das Chen vermisst. Chen antwortet höflich. Nicht weil sie den Witz gut fand. Sondern weil sie es ihr Leben lang so gelernt hat.
Das erzählt sie später in einem eigenen Video. Zwei Stunden habe sie geweint, bis sie sich entschlossen habe, das zu teilen. Sie weint immer noch im Video. Dazu schreibt sie, der Radio-Eins-Chef habe sie danach angerufen und gesagt, dass es »unglücklich ausgedrückt« war, was wiederum von ihm unglücklich ausgedrückt ist. Er könne jetzt auch nichts mehr machen, die Moderation habe ja auch »kreative Freiheit«. Aha. Vielleicht haben ja RBB-Moderatoren die Freiheit, Gäste erst einzuladen und dann mit rassistischem Müll zu bewerfen. Vielleicht zählt das beim RBB auch als kreativ. Vielleicht verstehe ich die Antwort auch nicht richtig. Vielleicht eine Geheimsprache.