Im Naturschutzgebiet Isarmünd bei Deggendorf vereinen sich die grünen Fluten der Isar im Schatten herabhängender Weidenzweige leise plätschernd mit dem Blau der Donau. Hier ist die Welt der Wechselkröte noch in Ordnung. Gemeinsam mit dem ebenfalls vom Aussterben bedrohten Moorfrosch quakt sie allabendlich zum Liebesspiel von rund 115 Vogelarten und schert sich wenig darum, was da weiter flußauf- und -abwärts alles passiert. Sollte sie aber, denn das Auenland ist in Gefahr.
Mittlerweile bleibt man auf der Donau zwischen Straubing und Vilshofen nämlich fast so häufig im Stau stecken wie auf der nahen A3. Schuld daran ist der extrem schwankende Wasserstand jenes Donauabschnitts, der das Manövrieren in der Fahrrinne bei Niedrigwasser regelmäßig zur Kür macht. Um den Wasserstand zu heben, will nun die Bezirksregierung von Niederbayern die Donau stauen, und zwar genau vor der Mühlhamer Schleife, etwa neun Kilometer vom Naturschutzgebiet entfernt. Gestautes Wasser bedeutet konstant hohen Wasserstand, bedeutet nie mehr Stau, sondern, nun ja, fließenden Verkehr. Das behaupten zumindest die Verfechter der Staustufenlösung. Ihre Gegner vom Bund Naturschutz geben zu bedenken, dass ein Rückstau der Donau doch den Lebensraum der Wechselkröte und ihrer Mitbewohner dauerhaft unter Wasser setzen würde. Ohne wechselnden Wasserstand keine Wechselkröte.
Doch es droht noch mehr Gefahr: Damit der Schiffsverkehr noch besser flutscht, möchte die Bezirksregierung nämlich die Mühlhamer Schleife nach der Staustufe zusätzlich mit einem Kanal durchbrechen, als Abkürzung sozusagen. Genau diese Abkürzung würde aber auch die Hochwasserwelle beschleunigen, die alljährlich nach der Schneeschmelze donauabwärts rollt. Das hätte vor allem für die Stadt Passau fatale Folgen: Träfe dort plötzlich die große Donauwelle zeitgleich mit der sonst naturgemäß früher heranrollenden Innwelle zusammen, könnte die Dreiflüsse-Stadt womöglich demnächst ihren Hochwassertouristen das einzigartige Schauspiel eines deutschen Tsunamis versprechen.
Noch wird weiter debattiert, demonstriert und, wenn gar nichts mehr geht, prozessiert. Auf dem Schlachtfeld »Donauausbau« ist noch längst nicht alle Munition verschossen. Dabei könnte ein Waffenstillstand so schön sein.
Statt Staustufe gäbe es dann an der Mühlhamer Schleife im Bund-Naturschutz-McDrive Kaffee aus biologisch abbaubaren Bechern, für die Wartezeit im Stau. Die Auen-vögel lotsten die Kapitäne im Spalier durch die Untiefen und am Heck jedes Frachters prangte ein Sticker mit der Aufschrift: »Ich bremse gern für Wechselkröten«.
Die Donau schweigt zu alledem. Schweigt und fließt weiterhin beleidigt durch ein Land, das sie von Anbeginn der Zeiten begradigt, beschnitten und verkannt hat. Im alten Rom war das noch anders: Damals wurde sie als göttlich verehrt, hieß Danubius und war ein Mann.
Der Bund Naturschutz nennt das Donaugebiet zwischen Straubing und Vilshofen den "bayerischen Amazonas".
Etwa 2845 Kilometer lang ist die Donau vom Ursprung bis zur Mündung. Der umstrittene Flussabschnitt zwischen Straubing und Vilshofen misst 70 Kilometer.