Das Problem
Baumwolle – das klingt wie ein Versprechen von Reinheit und Natürlichkeit. In Wahrheit verbergen sich dahinter Umweltverschmutzung und Tod: Rund 15 000 Liter Wasser sind nötig, um 1,5 Kilo Baumwolle zu produzieren, aus der ein T-Shirt hergestellt wird. Ein Viertel der weltweit eingesetzten Pestizide wird auf Baumwollfeldern versprüht. Laut WHO sterben jedes Jahr 20 000 Feldarbeiter durch Unfälle mit den giftigen Pflanzenschutzmitteln. Mehr noch: Formaldehyd bringt Kleidung in Form, Ammoniak macht Stoff knitterfrei. Solche Kleider ziehen wir jeden Morgen an und belegen danach die Pausenbrote unserer Kinder mit Biotomaten. Doch Biotomaten gibt es eben öfter: 26 Millionen Tonnen Baumwolle werden jedes Jahr verarbeitet, nur 0,7 Prozent davon sind bio.
Lösungswege
Tansania, im Osten von Afrika: Makoye Gagi erntet mit seinen Brüdern die reifen Baumwollknäuel, die von den Stauden quellen wie Wattebäusche am Stil. Makoye Gagi wartet auf Regen, der die Felder bewässert, und er verwendet keine chemischen Pestizide – er baut Biobaumwolle an. Mitarbeiter des Projekts BioRe Tanzania haben ihm geholfen, seine Felder auf ökologischen Anbau umzustellen, und ihm die Regeln erklärt: keine Kinderarbeit, keine Pestizide, keine genmanipulierten Samen. Keine Monokultur, sondern auf den Fruchtwechsel achten. Dafür garantiert BioRe ihm, die Ernte zu kaufen, und zahlt zusätzlich zum Marktpreis eine Öko-Prämie.
Seit drei Jahren ist Makoye Gagi nun Biobauer, inzwischen hat er sich acht Ochsen, zehn Kühe, zwei Karren und seinen eigenen Hof leisten können.
BioRe ist eines von weltweit 200 Biobaumwoll-Projekten und wurde gegründet von der Schweizer Garnhandelsgesellschaft Remei. Die Firma beliefert Naturaline von Coop, Monoprix, Rewe, die Outdoor-Marke Mammut und Marc O’Polo. Die BioRe-Idee: ökologische Standards mit menschenwürdigen Arbeitsbedingungen verbinden, vom Feld bis zur Näherei.
Ulrich van Gemmeren, Deutschland-Chef von Made-by, will genau das zum Standard machen. Die Organisation hat zum Beispiel ein System ins Leben gerufen, bei dem der Käufer die Kleidung via Internet auf jeder Station bis zum Feld zurückverfolgen und Zeuge werden kann, dass sich kein Arbeiter beim Düngen die Haut verätzt.
Die Hausaufgabe
Nur dem reinen Gewissen zuliebe kauft niemand ein Kleidungsstück. Das Produkt muss so gut sein, dass der Kunde es haben will. Dann kann es sich eine Firma auch leisten, ökologisch und fair zu arbeiten. H & M, Zara oder G-Star haben Produkte aus fair gehandelter Biobaumwolle in ihr Sortiment aufgenommen. Bei Marc O’Polo macht die Öko-Linie inzwischen acht Prozent der Kollektion aus – darunter Stricksachen, Jeans, Blusen und Röcke.
Aber noch ist es schwer, die gesamte Baumwollkleidung einer großen Modefirma aus Biobaumwolle herzustellen – weil nicht genug Biobaumwolle auf dem Markt ist, weil Techniken in der Weiterverarbeitung noch nicht nach Öko-Kriterien umgesetzt werden können: eine Forschungsaufgabe, der sich die Textilbranche in Zukunft widmen muss. Und wenn die Modefirmen verstärkt Biobaumwolle verlangten, müssten auch mehr Felder auf ökologischen Anbau umgestellt werden.
Die Denkaufgabe
Wie produziert man ökologisch korrekt hergestellte Baumwolle, die preiswert ist, sodass möglichst viele Menschen sie kaufen, und zahlt dafür trotzdem faire Löhne? Die Kontrollsysteme müssen einfacher und billiger werden. Und eine gesetzliche Richtlinie muss her, so wie es sie etwa für Biolebensmittel gibt. Nachhaltige Produkte aus Biobaumwolle sollten für Modefirmen eine Selbstverständlichkeit werden und keine Extraleistung, für die sie Lob einheimsen.
Die Lebensmittelbranche zeigt, dass sich Bioprodukte für Bauern und Händler auch rechnen. Warum sollte es bei der Kleidung, die wir täglich auf der Haut tragen, anders sein?
---
Christine Zerwes empfiehlt allen, die mit gutem Gewissen auch im
glamourösen Abendkleid auftreten wollen, das dänische Modelabel Noir, das Kleider aus luxuriösen und ökologisch unbedenklichen Materialien herstellt.
Foto: Getty