Unerwünschter Segen

Gott kommt in vielen Gruß- und Dankesformeln vor. Darf man sich das als überzeugter Atheist verbitten?

Illustration: Serge Bloch

»Ich bin häufig in Lateinamerika unterwegs, und wenn ich dort Bettlern etwas Geld gebe, sagen die darauf: ›Gott segne dich!‹ Als überzeugter Atheist will ich aber nicht gesegnet werden. Darf ich den zuvor Beschenkten in der Hoffnung, lieber verflucht als gesegnet zu werden, das Geld wieder wegnehmen?« Klaus H., Taufkirchen

Ich versuche mir vorzustellen, wie Sie einigermaßen stressfrei durch Ihren Alltag kommen, wenn Sie, wovon auszugehen ist, hier und da auch in Ihrem Heimatort mal das Haus verlassen. Sie leben doch in Taufkirchen, werter Herr H. Ich habe extra noch mal nachgesehen, um mich nicht zu vertun: Es gibt in Deutschland mehrere Taufkirchen, sie alle liegen in Bayern. Ihres ist das bekannteste, es gehört zum oberbayerischen Landkreis München. Sie werden dort bestimmt schon mal das eine oder andere Ladengeschäft betreten haben, und welcher Gruß wird Ihnen dort allergrößter Wahrscheinlichkeit nach entgegengeschallt sein? Ich tippe ganz stark auf »Grüß Gott!«. Was machen Sie denn dann? Empört kehrt?

Und es kommt noch eins härter: »Grüß Gott« war ursprünglich anders herum gemeint. Eigentlich sollte es keine Aufforderung von Mensch zu Mensch sein, aktiv Gott zu grüßen (woraufhin der typische Berliner ja unweigerlich so was wie »Wenn ick ihn seh« knurrt), sondern der Gruß sollte von Gott ausgehen. Gott sollte einem freundlich begegnen: Grüße dich Gott – oder auch, Achtung!, segne dich Gott. In Wahrheit sind Sie also nicht nur in Lateinamerika, sondern alltäglich mit Ihrem persönlichen Horror konfrontiert.

Meistgelesen diese Woche:

Ich habe dennoch eine sehr gute Nachricht für Sie: Wenn Ihnen jemand wünscht, dass Gott Sie segnen möge, dann würde dies, vorausgesetzt, es gibt ihn, noch lange nicht bedeuten, dass Gott das auch tut. Diese Macht hat nun wirklich kein Mensch. Zumal es Gott unter Umständen nicht gibt. Sie können den nett gemeinten Segenswunsch also einfach als Floskel betrachten und mit Ihrem inneren Simultanübersetzungsprogramm in eine Wunschformel Ihrer Wahl umformulieren. Mögen Sie noch eine herrliche Reise haben! Möge die Sonne immer auf Sie lachen, aber auch immer eine Schatten spendende Palme in der Nähe sein! Ach, Ihnen fällt schon was ein.