Darf man andere Körper kommentieren?

Ein entferntes Familienmitglied wertet bei jedem Treffen Menschen ab, die es als dick empfindet. Unsere Kolumnistin weiß genau, wie sie sich dagegen wehren würde.

Illustration: Serge Bloch

»In meinem erweiterten Familienkreis gibt es eine Person, die sich gerne über das von ihr als solches empfundene Über­gewicht anderer Menschen auslässt. Ich sehe diese Person ge­legentlich bei Familienfeiern, und es gibt keinen Smalltalk, in dem nicht in einem Nebensatz Bezug auf das (scheinbare) Übergewicht von jemandem genommen wird, der ihr im Alltag irgendwo begegnet ist. Soll ich diese Person zurechtweisen, dass ich ihre Kommentare für unangemessen halte (mit dem Risiko eines Zerwürfnisses), oder sie auf Feiern meiden, um diesen unangenehmen Unterhaltungen nicht mehr bei­wohnen zu müssen?« Verena K., Osnabrück

Eigentlich schade, dass Sie es sind, die hierher schreibt, und nicht die Person, um die es geht. Denn es hat wohl jeder so jemanden im erweiterten Familienkreis, und es wäre doch wirklich mal interessant zu erfahren, wie diese Leute ihr Verhalten begründen. Wie sie zu der Annahme gelangen, es sei für den Rest der Welt eine Bereicherung, ständig darüber informiert zu sein, was ihnen an ihren Mitmenschen nicht passt. Ob es da um Körper­umfang geht oder etwas anderes, das sie selbst von den Kritisierten unterscheidet. Denn darum geht es wohl hauptsächlich: zu zeigen, wie großartig man selber ist, indem man andere herabsetzt. Kein schöner Zug.

Sie möchten wissen, ob Sie diese Person darauf ansprechen sollen oder sie künftig besser meiden? Ich frage zurück: Warum nur eines, wenn man beides haben kann? Sagen Sie dieser Person unbedingt Ihre Meinung. Es muss ja nicht direkt eine Zurechtweisung sein. Falls Sie der Möglichkeit eine Chance geben wollen, dass die Person sich ändert, halten Sie sich besser daran, was Therapeuten raten: bei sich bleiben, »Ich«-Sätze bilden, nicht anklagen. Im besten Falle verhelfen Sie dieser Person so zu einem Moment der Erkenntnis, der so eindrücklich ist, dass sie anschließend nie wieder etwas Schlechtes über andere sagen wird. Oder vielleicht höchstens ganz selten. Das wäre der Idealfall, der natürlich nicht eintreten wird. Wenn doch, dann herzlichen Glückwunsch! Im wahrscheinlicheren Fall wird sich diese Person nicht ändern: Sie aber müssen sich dann nicht länger verbiegen. Das ist auch schon ein positiver Aspekt. Sie können sich künftig einfach wegdrehen, ohne weitere Energie und Lebenszeit zu vergeuden. Kommt es zu einem Zerwürfnis, sind Sie das Problem sowieso los. Im Idealfall geht diese Person dann Ihnen aus dem Weg. Und Sie können jeder Familienfeier entspannt entgegensehen.