Geil ist geil

Eine Leserin stört sich an der inflationären Verwendung des Wortes »geil«. Ist der Ausdruck ekelerregend, wie sie findet – oder kann unsere Kolumnistin ihn bedenkenlos empfehlen?

Illustration: Serge Bloch

»Ich kann nicht verstehen, wie es das Wort ›geil‹ in die Umgangs-sprache geschafft hat. Das ist ein schlimmes, schmutziges Wort, und ich empfinde es als ekelhaft, vulgär, ordinär und vor allem sexistisch. Am schlimmsten für mich ist, wenn ich es von Kindern höre. Aber viele Prominente verwenden es ­leider auch. Anscheinend ist das jetzt modern. Für mich geht das allerdings gar nicht! Was sagen Sie dazu? Ich bin 78 Jahre alt.« Liselotte R., Martinsried

Ihre Frage führt auf eine sehr elegante Weise vor, dass Alter als Kategorie wirklich überhaupt nichts taugt. Sie sind 78 Jahre alt? Dann müssten Sie doch mitbekommen haben, wie sich vor vierzig Jahren, Anfang der Achtziger, der jüngste Bedeutungswandel des Wortes »geil« vollzog. Ich erinnere mich daran, mir erging es damals wie Ihnen. Wann immer ich hörte, etwas sei »geil«, zuckte ich innerlich zusammen und wurde äußerlich rot. Allerdings war ich damals in dem Alter, in dem man sowieso ständig im Erdboden versinken möchte, wenn irgendetwas in Richtung Sex zu gehen scheint. So starb ich einmal auf dem Autorücksitz mehrere Tode, als meine Eltern sich vorne über eine Bekannte unterhielten, die offenbar sächselte. Und sie sprachen so ungeniert darüber. Vor mir! Als sei gar nichts dabei, Menschen zu kennen, die sexelten (was auch immer ganz genau sich dahinter verbergen mochte, sicherlich Abgründe).

Aber zurück zu Ihnen. Was müssen Sie für ein schönes Leben gehabt haben, dass Sie offenbar komplett vorbeikamen an dem grauenhaften Hit G-g-g-g-geil von Bruce & Bongo, der 1986 dauernd im Radio kam. »On Friday the 13th of December Bruce and Bongo discovered Germany’s most successful word: Geil«, so beginnt der Song und zählt dann auf, was alles geil sei, unter anderem Discjockeys, Affen und Boris Becker. Auf einen Freitag fiel der 13. Dezember im Jahr 1985, da müssten Sie 40 Jahre alt gewesen sein. Wo waren Sie denn da? Und in welchem Idyll lebten Sie ab 2002, als in Deutschland pausenlos der böse Satz aus der Werbung widerhallte: »Geiz ist geil«? Geiz ist genauso wenig geil wie Magersucht sexy, aber all das beweist, wie lange geil schon die Bedeutung hat von: toll, fantastisch, cool.

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Es ist zwar, da gebe ich Ihnen recht, auch heute noch kein schönes Wort. Aber manchmal gibt es einfach keines, das etwas, das richtig geil ist, besser trifft.