Von der Klimademo zum Flughafen

Man möchte das Klima schützen und läuft bei »Fridays For Future« mit. Darf man trotzdem guten Gewissens im Sommer in den Spanien-Urlaub fliegen?

Illustration: Serge Bloch

»Zum Anlass der anstehenden Urlaubsplanung unserer Familie stellte ich mir die Frage: Ist es in Ordnung, zur Demonstration von Fridays for Future zu gehen und im Sommer trotzdem drei Wochen lang nach Spanien zu fliegen, entgegen der Überzeugung, dass man mit vielen kleineren Taten etwas Großes schaffen kann? Oder zählt es mehr, dass man durch die Teilnahme an der Demonstration ein Zeichen setzt?« Johannes S., Münster

Um einmal etwas über die Entstehung dieser Kolumne zu sagen: Nicht alle Zuschriften werden beantwortet, es wird eine Auswahl getroffen, um Wiederholungen zu vermeiden. Denn es gibt zwei Themenfelder, zu denen sich die Fragen häufen: AfD und Klimawandel. Was natürlich viel über unsere Zeit aussagt. Die AfD-Fragen zielen meistens darauf ab, wie man mit Menschen umgehen soll, von denen man weiß, dass sie Faschisten wählen. Die Klimawandel-Fragen kreisen darum, ob man, wenn man sich weiter so verhält wie bisher, ein schlechtes Gewissen haben muss. Davon handelt im Grunde auch Ihre Frage, die Sie formuliert haben, bevor das Coronavirus alles auf den Kopf stellte, aber das wird ja nicht ewig so bleiben, Ihre Frage bleibt also relevant.

Leider muss ich Ihnen sagen, dass Ihnen niemand Ihr schlechtes Gewissen nehmen kann. Schlechtes Gewissen ist Privatsache. Aber hier die Meinung der Aktivistin Naomi Klein und des Philosophen Slavoj Žižek zum Thema, die ich teile: Individuelle Anstrengungen werden den Klimawandel nicht aufhalten, es braucht einen Systemwandel. Die Politik muss im großen Stil handeln. Zugfahren muss viel billiger werden als Fliegen, und alles, was schädlich ist, muss enorm teuer sein. Im Moment wird versucht, es dem Einzelnen zuzuschieben, die Welt zu retten. Das ist eine sehr faule und verheerende Haltung, laut Žižek eine Strategie des Kapitalismus, laut Klein ein Produkt des Neoliberalismus, der uns geschult habe, klein zu denken und uns in erster Linie als Konsumenten zu sehen. Es sei uns daher angenehmer, über den eigenen persönlichen Verbrauch zu sprechen als über eine Veränderung des Systems. Wie aber verändert man das System? Die Politik muss begreifen, dass große Teile der Bevölkerung (= ihrer Wähler) Veränderung wollen. Deshalb ist es wichtig, seine Haltung öffentlich zu zeigen. Ob man fliegt oder nicht.