Leicht wäre: einfach zu lachen. Über die Namen, über die geflochtenen Kinnbärte, über den rührenden Ernst, mit dem sie das alles machen. Man muss deshalb gleich feststellen: Sehr wenig an der Band Saltatio Mortis ist im traditionellen Sinn cool.
Der Name der Band bedeutet »Totentanz« auf Latein, sie besteht aus acht Karlsruhern und Kaiserslauterern um die 40, die sich »Alea der Bescheidene« oder »Lasterbalk der Lästerliche« nennen und ihre Facebook-Posts konsequent mit dem Gruß »Eure Spielleute« beenden. Sie machen Mittelalter-Rock, was in dem Fall ziemlich exakt so klingt, als hätten die Toten Hosen sich ein paar Sackpfeifen-, Schalmeien- und Dudelsackspieler auf die Bühne geholt. So weit, so leicht verspottbar.
Fakt ist aber: Saltatio Mortis stehen mit ihrer neuen Platte »Zirkus Zeitgeist« gerade auf Platz 1 der Albumcharts. Genau wie mit dem letzten Album. Das vorletzte schaffte es bis auf Platz 3. Die Band ist also äußerst erfolgreich, sie vermarktet sich seit Jahren klug und gewissenhaft. Und das, erstens, ohne sich in den 15 Jahren seit Gründung erkennbar in irgendeine Richtung verbogen zu haben. Und, zweitens, mit Texten, die engagiert und sozialkritisch zu nennen sind. Die Songs heißen »Des Bänkers neue Kleider« oder »Wir sind Papst« und kritisieren zum Beispiel die Rückkehr der Deutschtümelei oder den ungebremsten Kapitalismus.
»Sein Mantel aus Zins, Teil des Gewinns / Wärmt ihn ganz plötzlich nicht mehr / So kalt ist der Zins.«
Klar, so einen arg unverschlüsselten Text kann man ruhig putzig und unbeholfen finden – aber wenn man den Jahrmarkt- und Rollenspieler-Pathos mal rausrechnet, beackert die Band die klassischen Baustellen der Sozialdemokratie, um die sich früher mal Punkbands gekümmert haben. Von wie vielen Nummer-1-Acts lässt sich das behaupten?
Dass es eine Band wie Saltatio Mortis auf Platz 1 schafft, verwundert nur kurz: Der Mittelalter-Rock ist im Kern volkstümliche Musik, eine Nische, die es interessanterweise nur in Deutschland gibt. Aber vielleicht die Nische mit der treuesten Fangemeinde. Die Band In Extremo brachte jedes ihrer letzten fünf Alben in die Top 3, Schandmaul hatte vergangenes Jahr eine Platte auf Platz 2, die Seemanns-Rockband Santiano stand erst vor ein paar Wochen mit einem Album auf Platz 1 und gewann 2013 und 2014 den Echo als »Beste Gruppe volkstümlich«.
Der Erfolg dieser Kostümbands ist deshalb so erstaunlich, weil man problemlos jahrelang Radio hören kann, ohne auch nur einen Song von ihnen zu hören. Sie werden in der Nische geliebt und finden auch nur da statt. Die Sprecherin eines öffentlich-rechtlichen Radiosenders erklärte vor ein paar Tagen der DPA, Mittelalter-Rock werde deshalb in ihrem Programm nie gespielt, weil er »sehr stark polarisierend« sei.
An Saltatio Mortis zeigt sich also gleichzeitig auch eine Besonderheit der deutschen Hitparaden: Während die Lieder der Singlecharts tatsächlich den Alltag durchdringen, vom Supermarkt-Radio bis in die TV-Werbung, sind die Albumcharts oft ein Schaufenster in die Nische. Sie sind das Siegertreppchen der Metalbands, der obskuren Rapper und Seemanns-Kapellen. Die Währung der Albumcharts ist eben nicht das Radio-Airplay, der größtmögliche Konsens, sondern die Treue der Fans. Und wenn es um Treue geht, ist es nur logisch, dass eine Mittelalter-Band gerade weit vorne liegt. Schließlich ist das Mittelalter schon so lange vorbei, dass es in absehbarer Zeit erst mal nicht mehr out werden dürfte.
Erinnert an: Die zwei Streber aus dem Leistungskurs Latein.
Wer kauft das? Besucher von Ritterturnieren und Gauklerkursen.
Was dem Album gut tun würde: Eine Prise weniger Braveheart-Pathos vielleicht. Aber, ganz ehrlich: Warum? Funktioniert doch.
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