Kennen Sie den? Geht Häschen ins Rathaus und fragt den Beamten: »Hattu Vollmacht?« Der Beamte: »Ja, hab ich!« Häschen: »Muttu Hose wechseln!«
Oder den? Häschen kommt ins Musikgeschäft und fragt: »Hattu Flügel?« Der Verkäufer: »Ja, zwei Stück!« Häschen: »Schön, kannttu fliegen!«
Noch einen? In der Drogerie fragt Häschen: »Hattu Möhrchen?« Antwortet der Verkäufer: »Nein, ich habe keine Möhrchen.« Am nächsten Tag fragt Häschen wieder: »Hattu Möhrchen?« – »Nein, ich habe keine Möhrchen!« So geht es einige Tage, bis der Verkäufer schreit: »Ich habe keine Möhrchen, und wenn du noch mal fragst, nagle ich dich über die Tür neben das Kreuz!« Am nächsten Tag kommt Häschen wieder und fragt nach Möhrchen. Da nagelt der Verkäufer das Häschen über die Tür. Als es da neben dem gekreuzigten Jesus hängt, fragt Häschen: »Hattu auch Möhrchen wollt?«
Ein letzter, versprochen. Vorerst jedenfalls. Häschen in der Bäckerei: »Hattu Streichhölzer?« Bäcker: »Nein, ich habe keine Streichhölzer.« Am nächsten Tag kommt Häschen wieder: »Hattu Streichhölzer?« – »Nein!« Und am nächsten Tag wieder: »Hattu Streichhölzer?« – »Nein, verdammt! Ich will dich hier nicht mehr sehen!« Kommt das Häschen einige Wochen später erneut an der Bäckerei vorbei: Sie ist abgebrannt. Traurig steht der Bäcker vor der Ruine. Ruft das Häschen empört: »Hattu doch Streichhölzer habt!«
Vor vierzig Jahren, 1977, hoppelte das Häschen unaufhaltsam durch den deutschen Herbst. Damals war gerade das Standardwerk Kennttu den schon? erschienen, außerdem die rasch vergriffene Langspielplatte Häschenwitze. Illustrierte baten ihre Leser um die Einsendung immer neuer, immer blöderer Hasen-Gags. Und als Kurt Biedenkopf als CDU-Generalsekretär zurücktrat, saß in einer Karikatur der Westdeutschen Allgemeinen Zeitung ein Rammler mit Biedenkopfs Gesichtszügen zu Füßen des Noch-nicht-Kanzlers Helmut Kohl, dem bald darauf nichts anderes übrig bleiben sollte, als seinen Gegenspieler Geißler zu Biedenkopfs Nachfolger zu machen, und fragte: »Hattu kein Generalsekretär mehr?« In der von Terror und Stillstand geplagten BRD waren Häschenwitze eine echte Referenz.
Die eigentlich für das Lachen der Deutschen Zuständigen reagierten damals geradezu beleidigt. Im Spiegel wurde unter dem Titel »Hattu Möhren?« Rudi Carrell etwas geschichtsvergessen zitiert, Häschenwitze seien »das Blödeste, was es je in Deutschland gegeben hat«. Otto fand sie im selben Artikel »entsetzlich«, und dass sogar Didi Hallervorden, der ja schon damals an unzähligen Verbrechen gegen die Witzigkeit beteiligt gewesen war, darin behauptete, es handele sich um ein »düsteres Kapitel deutschen Humor-Niveaus«, zeigt, dass der Häschenwitz, wie es sich für einen echten Kalauer gehört, bereits zu Hochzeiten als Tiefpunkt galt.
Heute wird vom Häschen – wie vom Fritzchen – außer in nostalgischen Internetforen nur noch in Kindergärten und Grundschulen erzählt. Wer, wenn nicht ein Kind, identifiziert sich mit diesem Tier, das stets unterlegen ist, fehlerhaft spricht und penetrant um das Immergleiche bittet? Das Häschen will wie das Kind das, was ihm verwehrt wird. Es stellt die Regeln der großen, strengen Welt infrage. Die Erwachsenen können nicht überwunden, aber genervt werden.
Interessanter als die Frage, warum Häschenwitze nicht ganz totzukriegen sind, ist aber die, wo sie herkommen. Den Ursprung von Witzen zu benennen ist meistens unmöglich. Sowieso sind viele Witze das Ergebnis eines nie endenden Samplingprozesses, der seinen Anfang manchmal schon in der Antike nahm. Zu den Menschheitsthemen – Fäkalien, Fortpflanzung, Familie – werden neue Moden beackert, mit wiederkehrenden Pointen und Protagonisten. Etwa Hasen. In den USA kennt man die Geschichten vom listigen Br’er Rabbit, der wiederum auf einer uralten Vorlage aus Afrika basiert. Im deutschen Sprachraum ist der Hase Lamprecht oder Meister Lampe seit Fabelzeiten etabliert. Aber auch zur Witzfigur muss das Häschen in Deutschland früh geworden sein. Ein berühmter Flüsterwitz aus den ersten Jahren der nationalsozialistischen Diktatur geht so: An der belgischen Grenze bittet eine Gruppe Hasen um Asyl. »Hilfe, die Gestapo will alle Giraffen verhaften!« Der Grenzer: »Ihr seid doch keine Giraffen!« Die Hasen: »Machen Sie das mal der Gestapo klar …«
Doch das dummdreiste Häschen, das ein Geschäft oder eine Amtsstube betritt, könnte eine historische Ausnahme sein: Seine Entstehung ist recht genau datiert. Zumindest in jenem Spiegel-Artikel von 1977, Autor: der Kabarettist Henning Venske. »Der Prototyp«, schreibt Venske da, »wurde auf dem Festival des politischen Liedes im Februar ’76 in Ostberlin verbreitet: ›Hattu Möhren?‹ Der Apotheker verneint. Frage und Antwort wiederholen sich mehrmals – je nach Geduld der Zuhörer. Nach Tagen hängt der Apotheker ein Schild ins Fenster: Möhren ausverkauft. Dann das Häschen: ›Hattu doch Möhren gehabt …‹ Kenner erkannten, wohin der Hase lief: Das Tierchen, das sich vorwiegend von Kräutern und Rinde ernährt, musste dazu herhalten, die längst institutionalisierten ›momentanen Versorgungsengpässe‹ zu glossieren (…).«
Der legendäre westdeutsche Witzesammler Kurt Hirche, 1999 verstorben, beschrieb fast gleichzeitig, er habe Häschenwitze erstmals auf der Leipziger Frühjahrsmesse 1977 gehört. Die Auffassung, dass Häschen rübergemacht hatte, mit Transitreisenden als Fluchthelfern, und dass im Westen aus einem subversiven Witz ein flacher geworden war, etablierte sich fortan in humorhistorischen Publikationen. Bis heute ist immer wieder zu lesen, öffentlich sei der Ur-Häschenwitz zuerst auf dem Festival des politischen Liedes 1976 vorgetragen worden. Aber von wem? Wer hat sich den Häschenwitz ausgedacht?
Anruf bei Henning Venske. Der Autor des Spiegel-Artikels ist heute 78 Jahre alt. Er hat das geprägt, was man in Deutschland politisches Kabarett nennt. Ach, die Häschenwitze, sagt Venske, diese blöde Auftragsarbeit. Das Festival des politischen Liedes im Palast der Republik besuchte Venske, der aus Hamburg angereist war, 1976 nicht zum ersten Mal. Er war da privat, dann schrieb er drüber, als man ihn fragte. Venske war damals so überzeugt wie heute von der Notwendigkeit, gegen die herrschenden Verhältnisse vorzugehen. Ja, sagt Venske, auf dem Festival kursierte dieser Witz. Da hörte er ihn erstmals, im Getümmel. Aber nein, auf der Bühne erzählte den Witz niemand. Sein Artikel wurde falsch verstanden, sagt Venske. Auf der Bühne sei es um Wichtigeres gegangen. Musik, Solidarität, die Nato, Kampf dem Faschismus. Wie es eben sein soll, ruft Venske, so etwas wie das Festival des politischen Liedes gebe es ja leider nicht mehr!
Diese größte Musikveranstaltung der DDR fand von 1970 bis 1990 statt. Jedes Jahr traten musizierende Genossinnen und Genossen aus allen Ländern auf. Eine Woche Wein, Marx und Gesang. Ausgerichtet wurde das Festival von der Jugendorganisation FDJ, aber gegründet hatte es der Oktoberklub, eine ab 1966 aktive junge Liedgruppe. Der Folk-Boom in den USA hatte auch in der DDR »Hootenannies« entstehen lassen, offene Abende, an denen jeder auftreten konnte, die Kreativen, die Hungrigen kamen dort zusammen. Da Anglizismen verboten waren, wurde die Hootenanny-Szene, deren Zentrum der Oktoberklub war, »FDJ-Singebewegung« getauft. Viele Mitglieder waren überzeugte Sozialisten, wollten aber den Realsozialismus, die Gesellschaft, in der sie lebten, moderner, anders gestalten. Und sie wollten »den Alltag besingen, wie er ist«, so sagte es der Liedermacher Reinhold Andert.
Nur: Je bekannter und beliebter er wurde, desto mehr interessierte sich die SED für den Oktoberklub. Die Künstler wurden als frische Vertreter des Systems durch Land und Welt geschickt, als Beleg dafür, dass die DDR vielfältig und zeitgemäß sei. Kritiker fanden, die Oktoberklub-Barden besängen nun nur noch den Alltag, wie das Politbüro ihn darstellen wollte. Sie seien Marionetten geworden. Einige Mitglieder, die wegen ihrer politischen Ansichten zu leiden hatten, von der Stasi verfolgt, von der Schule ausgeschlossen, fühlen sich von den einstigen Freunden bis heute verraten. Manche Oktoberklub-Stars wie Barbara Thalheim, Jürgen Walter oder Gina Pietsch sind in den nicht mehr so neuen Bundesländern immer noch bekannt. Andere gingen nach der Wende in die Politik, die Wirtschaft, das innere Asyl. Fragt man die Oktoberklub-Leute, die 1976 am Festival des politischen Liedes beteiligt waren, nach Häschenwitzen, weiß niemand, wer damit angefangen hat, aber jedem fällt einer ein.
Der Staatssicherheitsdienst veranstaltet eine Treibjagd. Häschen sieht keine Möglichkeit zum Entkommen, richtet sich verzweifelt auf und fragt seinen Häscher: »Hattu Schießbefehl?«
Häschen fragt im Geschäft: »Hattu Pappe?« Und so weiter. Am dritten Tag ist endlich Pappe da. Da fragt Häschen den Verkäufer: »Kannttu Trabi falten?«
Häschen findet seine Eltern nicht und weint. Ein Volkspolizist tröstet es und verspricht, eine Suchmeldung im Radio durchzugeben. Schluchzt das Häschen: »Muttu aber Rias sagen!«
Diesen Häschenwitz erzählt Gisela Steineckert, 86 Jahre alt, lange die wichtigste Mentorin im Oktoberklub, später Präsidentin des Komitees für Unterhaltungskunst. »Verstehen Sie«, flüstert Steineckert, »Rias, Westradio! Weil alle Westradio hörten! Und weil das alle wussten!« Steineckert hat als Schriftstellerin mehr als zwanzig Bücher veröffentlicht, und als Liedtexterin war und ist sie für unzählige Ost-Schlager verantwortlich. Wie die DDR klang und wie sie aufgeschrieben wurde, hat Gisela Steineckert wie kaum jemand bestimmt. Witze kann sich Steineckert nicht merken und nicht gut erzählen, war immer so. Den über Rias hat sie sich von einem alten Kameraden am Telefon sagen lassen und auf ein Post-it geschrieben. Dass sie über Häschenwitze redet, hat einen anderen Grund: Vielleicht kann sie mit diesen Witzen ihre Rolle im Oktoberklub klarstellen, in der DDR überhaupt, denn für manche war Gisela Steineckert eine Gesandte der Parteiführung, der verlängerte Arm der Politbonzen, eine Mitläuferin.
Steineckert sitzt in ihrer plüschigen Wohnung im obersten Stock eines Berliner Plattenbaus zwischen Alexanderplatz und Potsdamer Platz. Sie hat von hier schon die Freiheit gesehen, bis zum Grunewald, als die Mauer noch stand. Alles hier erinnert sie jetzt an ihren jüngst verstorbenen Mann. Die Enkelin kommt bald mit dem Urenkelchen. Vorher erklärt Steineckert noch ihr Verhältnis zu dem Staat, der in ihrem Wohnzimmer, auf all den Bildern und Urkunden noch so präsent ist: Sie kommt aus ärmsten Verhältnissen. Arbeitete sich hoch. Machte eine Lehre. Wurde Redakteurin beim Satiremagazin Eulenspiegel. Schrieb. Schrieb. Schrieb. Schon galt sie als Intellektuelle. Und ihre Tochter durfte nicht studieren, denn das durften nur die Arbeiterkinder. »Dit is doch absurd«, ruft Steineckert, »dit war zum Verzweifeln!« Sie war ja überzeugt von der Sache, sagt sie, aber dieser Staat hat sie nicht überzeugt, deswegen wollte sie ihn verändern. Sie hat den Männern von der Stasi, die hier oben vor der Tür standen, gesagt, dass sie abhauen sollen. Aber die Blumen, die sie dabeihatten, durften die Typen dalassen, sagt Steineckert. Und auch später, sagt sie, als sie einen offiziellen Posten hatte, Kultur, Pipapo, hat sie Künstler aufgebaut und geschützt vor dem Stumpfsinn, hat das Geld einfach genommen und den Jungen gegeben, macht was damit! In der ganzen Enge gab es Platz, man musste ihn sich nur schaffen, sagt Steineckert. In der DDR sei vieles schiefgelaufen. Aber auf den Oktoberklub lässt sie nichts kommen. Diese Energie sei einzigartig gewesen. Frei von kommerziellen Zwängen. Die politischen Zwänge musste man eben subtil umschiffen. Deswegen: Ja, wahrscheinlich war der Palast der Republik voll mit Stasi-Spitzeln beim Festival 1976, weiß sie nicht. Aber wahrscheinlich wurde da trotzdem der erste Häschenwitz erzählt, sagt Steineckert: weil es möglich war. Man konnte lachen in der DDR, sagt Gisela Steineckert.
Einer, der anders als Gisela Steineckert nachweislich für die Stasi als inoffizieller Mitarbeiter tätig war und sich dennoch in den Achtzigerjahren mit dem Staat anlegte, ist Clement de Wroblewsky, IM Ernst, in der DDR ein prominenter Pantomime und Clown. Sein Kabarettprogramm für Erwachsene gefiel den Behörden gar nicht. De Wroblewsky und seiner Frau wurde 1984 die Ausreise in die BRD genehmigt. De Wroblewsky hat später ein Buch über den politischen Witz in der DDR verfasst, der Häschenwitz taucht da, weil er vergleichsweise harmlos ist, nur am Rande auf. De Wroblewsky sagt heute: »Der Häschenwitz ist auf jeden Fall um einiges älter als das Festival. Ich erinnere mich, dass eine Freundin von mir um das Jahr 1973 herum ständig Häschenwitze erzählte. Nach und nach wurde diese Witzform politischer und verschwand irgendwann.« De Wroblewsky glaubt, dass es eine Parallele zu einem Hasenwitz aus der Sowjetunion gibt, der ihm gefällt, zumindest was die vorgetäuschte Naivität angeht: Hase, Fuchs und Bär sollen gemustert werden. Keiner will zur Armee. Zuerst muss der Fuchs ins Arztzimmer. Er denkt: »Schneidest du dir den Schwanz ab, ein Fuchs ohne buschigen Schwanz wird nicht genommen.« Gesagt, getan. »Und?«, fragen die anderen, als er zurückkommt. »Ausgemustert, ein Fuchs ohne Schwanz geht nicht«, sagt der Fuchs. Als Nächstes ist der Hase dran. Er schaut auf seinen Stummelschwanz und denkt: »Schwanz geht bei mir nicht, aber ein Hase ohne lange Ohren wird nicht genommen.« Gesagt, getan. »Und?«, fragen die anderen. »Ausgemustert – keine Hasenohren«, sagt der Hase. Zuletzt der Bär. Er schaut sich an. Kleine Ohren, kleiner Schwanz – da denkt er sich: »Reiß dir die Zähne aus, ein Bär ohne gefährliche Zähne wird nicht genommen.« Er haut sich alle Zähne raus, geht hinein, kommt zurück. »Und?«, fragen Hase und Fuchs »Aufgemuftert!«, nuschelt der Bär. »Fu dick.«
»Dass dieser eine Häschenwitz beim Festival für politische Lieder vorgetragen wurde, glaube ich sofort«, sagt Clement de Wroblewsky. »In meinen Kreisen jedenfalls hätten wir über die Biedermänner vom Oktoberklub eher gelächelt, wenn sie mit harmlosen Kamellen ihr angepasstes Wesen zur Schau getragen hätten.«
De Wroblewsky erinnert daran, dass viele DDR-Bürger auch wegen falscher Witze, die sie erzählt haben, im Gefängnis landeten, Paragraf 106 des DDR-Strafgesetzbuches. Davon erzählt etwa das Buch Lachen gegen die Ohnmacht von Bodo Müller, der in der DDR akribisch Witze sammelte und deswegen ins Visier der Stasi geriet. Neben Bodo Müller machte sich später besonders der Germanist Karl-Heinz Borchardt um die Erforschung des DDR-Humors verdient. Borchardt wurde 1971 als 16-Jähriger zu zwei Jahren Haft verurteilt, weil ein Brief von ihm im BBC-Radio verlesen worden war. In der Untersuchungshaftanstalt in Rostock, so erinnert er sich jetzt, hörte er 1971 zum ersten Mal einen Häschenwitz: Das Häschen sei so lange vernommen worden, bis es gestanden habe, ein Wildschwein zu sein. Fünf Jahre später erzählte Wolf Biermann den Witz auf seinem Kölner Konzert, erinnert sich Borchardt. Vielleicht war auch das der Beginn des Häschen-Booms in der BRD.
Borchardt kramt noch etwas aus seinem Fundus. Die vielleicht älteste Spur der Häschenwitze. Ein schmaler Notizblock von der Greifswalder Buchdruckerei Panzig, den sein Vater 1971 geschenkt bekam. Darauf die Zeichnung eines Hasen mit Bleistift und der Satz: »Hattu Kopf wie Sieb, muttu aufschreiben.« Die Buchdruckerei Panzig gibt es noch. Panzig senior erinnert sich gleich an diesen Block. Wie ist er denn damals darauf gekommen? Hm. Panzig verspricht, bei einer Familienfeier nachzufragen. Drei Tage später ruft er zurück: Eine Cousine war es! Die hatte in Dresden studiert, und als sie zurück nach Greifswald kam, erzählte sie einen Häschenwitz, welchen, wissen sie nicht mehr. In Dresden hatte sie den gehört. »Die waren einfach da, die Häschenwitze, sagt die Cousine heute«, sagt Panzig. »Glauben Sie mir, näher kommen wir dem Rätsel nicht.«
Es wäre zu schön gewesen, die Frau oder den Mann zu finden, die oder der den ersten Häschenwitz erzählt hat. Einen mutigen Witz, aus dem dann in der freien Welt ein Quatsch wurde. Aber das wäre vielleicht zu simpel gewesen. Der Häschenwitz kam nicht einfach aus der DDR. Er hatte auch in der DDR schon eine Reise hinter sich. Jeder sah etwas anderes in ihm. Jeder erinnert sich anders an ihn. Wie sich jeder anders an die DDR erinnert. Weil das Häschen ja nicht nur eine lustige Figur ist, sondern auch eine furchtbar traurige. Kommt auf die Perspektive an.
Wie auch immer es anfing mit den Häschenwitzen in der DDR, mit einem Häschenwitz ging sie jedenfalls zu Ende. Lothar de Maizière, der erste und letzte frei gewählte demokratische Ministerpräsident, für die letzten sechs Monate bis zum 2. Oktober 1990 im Amt, trug bei Pressekonferenzen in diesen irren und wirren Tagen gern einen Notizblock bei sich, den keiner, der dabei war, vergessen hat.
Auf den Zetteln, auf denen die letzten Amtshandlungen der Deutschen Demokratischen Republik notiert waren, prangte ein Hase. Daneben stand gedruckt: »Hattu dran gedacht?«