Folge 3: Das Kranzbach - bei Garmisch-Partenkirchen

Ein altes englisches Schloss auf einer bayerischen Bergwiese? Das klingt in der Tat ein bisschen merkwürdig, verwundert aber gar nicht mehr, steht man erst mal davor.

Wenn Menschen an den architektonischen Eigenheiten ihrer Heimat hängen und auf diese nirgendwo auf der Welt verzichten möchten, kann das richtig wehtun. Ein Reiheneckhaus in der afrikanischen Steppe. Oder ein Bauernhaus im thailändischen Dschungel. Herrje! Als die Engländerin Mary Isabel Portman 1913 in die Alpen reiste, um hinter Garmisch-Partenkirchen ein Country House im Tudor-Stil auf eine bayerische Wiese zu bauen, hätte dieses Vorhaben auch in die Hose gehen können. Doch wer heute davor steht, denkt nicht, dass so ein Haus hier eigentlich nicht hingehört. Wie diese junge, eigenwillige, adelige und unverheiratete Dame damals in das versteckte Elmauer Hochtal kam, weiß keiner. Aber es gefiel ihr so gut, dass sie sich die 130.000 Quadratmeter große Kranzbachwiese kaufte und ein englisches Schloss mit unverputztem Bruchsteinmauerwerk errichten ließ. Leider kam der Beginn des Ersten Weltkriegs dazwischen. Das Haus wurde zwar fertig gebaut, aber wegen des Krieges musste Frau Portman flüchten und hat ihren Landsitz in den bayerischen Alpen nie mehr gesehen.

Inzwischen ist aus dem Schloss ein Hotel geworden, das „Kranzbach“. Dort fühlt man sich wie in einer Neuverfilmung von Alice im Wunderland. Fast möchte man meinen, dass aus dem burgartigen Haus die Königin mit ihren Spielkarten-Soldaten herausmarschiert und auf den Kopf gedrehte Flamingos als Schläger benutzt, um vor dem Schloss Croquet zu spielen. Und wenn man in einem der großen Sofas vor dem offenen Kamin im blauen Salon liegt (sitzen ist hier fast unmöglich), wäre man kaum überrascht, wenn plötzlich das weiße Kaninchen vorbeihoppelt. Die übergroßen Hummeln und Fliegen auf einigen der Tapeten passen auch vorzüglich in diese Alice-Fantasie, können so manchem Besucher aber auch aufs Gemüt schlagen. Besonders kurz nach dem Aufwachen.

Automatisch wird man im „Kranzbach“ nach kurzer Zeit selbst zu einer Figur aus Lewis Carrolls Geschichte – nämlich zur Grinsekatze. Die nach oben gezogenen Mundwinkel zeigen sich bereits bei der Anfahrt über die private Mautstraße durch den Wald, heben sich weiter beim Blick auf das Schloss, beim Schwimmen im Pool, der endlos weit auf die Wiese zu führen scheint, und beim Sprung ins große Bett. Die Wangen schmerzen vor lauter Grinsen spätestens in der Sauna beim Blick durch das große Fenster direkt auf das Gebirge. Ausruhen kann man sich dann im Badehaus oder – wer seinen Bademantel dann doch irgendwann mal verlassen will – im blauen, roten, grünen oder gelben Salon.

Meistgelesen diese Woche:

Nur auf eines sollte man achtgeben: Das große Frühstücksbüffet mit den selbst gemachten Marmeladen, die Kuchen am Nachmittag und das Fünf-Gänge-Menü am Abend lassen einen schnell zu einer weiteren Figur aus Alice im Wunderland mutieren: zu Humpty Dumpty, dem übergewichtigen Ei.

"Das Kranzbach" ****, 82493 Kranzbach bei Garmisch-Partenkirchen, Tel. 08823/92800-0, Fax 92800-900, www.daskranzbach.de, DZ im Mary Portman House ab 133 Euro pro Person inklusive Halbpension, im Gartenflügel ab 143 Euro pro Person inklusive Halbpension

Mit wem hinfahren: Mit dem neuen Liebhaber, vor dem man noch einiges zu verstecken hat. Oder mit der besten Freundin, vor der man nichts mehr zu verstecken hat.

Unbedingt: Eine Entspannungsmassage im Spa buchen. Danach bekommt man ein Kissen mit warmen Kräutern um den Hals gelegt und eine Milch mit Honig.

Welches Zimmer: Mutige buchen sich das Zimmer mit der Insektentapete. Von den Zimmern im Gartenflügel kann man in der Badewanne sitzend direkt auf die Berge gucken.

Unbedingt essen/trinken: Im Badehaus gibt es eine Quelle mit Bergquellwasser, das man sich mit hausgemachten Sirups versüßen kann. Und abends muss man sich mit einem Gin Tonic in das große eierschalenfarbene Sofa im gelben Salon setzen.

Was man im Hotel am liebsten klauen würde: Den Apfelbaum neben dem Pool. Der steht dort ganz allein auf der großen Bergwiese, trägt ein paar Äpfel sogar bis in den Winter hinein und verbreitet gute Laune. Außerdem die Stehlampe aus dem blauen Salon, die wie eine überdimensioniert große Schreibtischlampe aussieht.

Nicht perfekt: Sehr schlechter Handyempfang. Das wollten die Erbauer so, weil die Hotelanlage elektrosmogfrei sein sollte. Daher sind die Neubauten wie ein "Faraday’scher Käfig" konstruiert worden. Nervt manchmal, aber ist ja irgendwie auch ganz schön.

Shop/Restaurant/Sehenswürdigkeit in der Nähe: Das Gute am „Kranzbach“: Kein Shop, kein Restaurant, keine Sehenswürdigkeit weit und breit. Nur viele wunderbare Wanderwege, die Zugspitze, das Wetterstein- und Karwendelgebirge in Sichtweite. Kultur gibt es in dem nahe gelegenen Schloss Elmau.