Folge 8: Hotel George - L’viv

Sie haben Lust auf eine Zeitkapsel, die Sie zu in das frühe 20. Jahrhundert bringt? Übernachten Sie einfach mal im Hotel George in der Ukraine.

Marktplatz von L'viv (Lemberg)
Dieser Ort ist eine Zeitmaschine. Wer im Hotel George im ukrainischen L’viv wohnt, fühlt sich tatsächlich in die Epoche vor dem Ersten Weltkrieg zurückversetzt, als L’viv noch Lemberg hieß und Teil der „k und k“-Monarchie war. Die Freitreppe mit schweren Läufern und Jugendstilfenstern, die durch die Etagen führt; die großzügigen Zimmer mit Parkettfußboden; der Frühstücksraum, in dem der ukrainische Espresso serviert wird, mindestens so gut wie der italienische: Im George, am zentralen Boulevard der Stadt gelegen, dem Prospekt Swobody, hat sich mehr als hundert Jahre nach der Eröffnung auf eine Art und Weise die Atmosphäre des frühen 20. Jahrhunderts bewahrt, die in Osteuropa wahrscheinlich einzigartig ist. Keine Luxusrenovierung hat das Haus bislang mit der immergleichen Kempinski-Glasur überzogen – doch andererseits ist es auch nicht halbverfallen, wie ähnlich traditionsreiche Grand Hotels in Bukarest oder Kiew. Genau die richtige Mischung aus Originalität und Modernisierung.

Das George ist der richtige Ausgangspunkt, um die merkwürdige Großstadt L’viv zu erkunden, eine der letzten Metropolen Europas, in der man keinen Starbucks, keinen H&M und keinen Supermarkt finden wird. Obst und Gemüse gibt es allein auf Märkten, Brot oder Sanitärprodukte nur in den zahlreichen kleinen Kiosken auf den Straßen. Das alte Lemberg muss ein faszinierender Kreuzungspunkt der Kulturen und Religionen gewesen sein, mit Schwerpunkt auf der jüdischen. In den Wiener Cafés der Stadt lagen täglich bis zu 160 verschiedene Zeitungen aus. Das Hotel George, ein Refugium der alten Zeit in der neuen, macht dem Besucher gerade durch seine Unversehrtheit mit einiger Bitterkeit klar, welcher Reichtum an Leben in dieser Region vor siebzig Jahren vernichtet worden ist. Von den Angestellten an der großen Rezeption des Hotels, freundliche Damen, die alle gut Deutsch sprechen, obwohl sich kaum je ein Tourist aus Deutschland ins George verirrt, ist zu hören, dass das Haus verkauft wurde und in naher Zukunft von Grund auf renoviert wird. Das Ziel seien fünf Sterne, sagen die Rezeptionistinnen. Eine traurige Nachricht. Besuchen Sie das Hotel George, solange es noch so aussieht wie jetzt!

Hotel George, Mickiewicz-Platz 1, L’viv/Ukraine, Zimmerpreise zwischen ca. 30 und 100 Euro. info@georgehotel.com.ua, http://georgehotel.ukrbiz.net

Mit wem hinfahren: Mit einer Joseph-Roth-Gesamtausgabe

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Unbedingt essen/trinken: Den sensationellen Kaffee und das ungewöhnliche Frühstück, bei dem alle Bestandteile, wie üblich in Osteuropa, nach Gewicht bestellt werden.

Was man im Hotel am liebsten klauen würde: Die alte Zeit

Welches Zimmer: Das mit Balkon auf den Boulevard Swobody. Es gibt eines davon in jedem Stockwerk; die Tür liegt direkt an der großen Freitrepppe.

Nicht perfekt: Das Abendessen. Dazu lieber ins georgische Restaurant “Tiflis”.