Folge 17: Mandarin Oriental, Bangkok

In der wuchernden, ständig vom Verkehrsinfarkt bedrohte Riesenstadt Bangkok ist Ruhe ein seltenes Gut. Unser Autor findet sie im Mandarin Oriental. Einem Hotel, in dem er vor lauter Entspannung beinahe vergisst, noch einmal vor die Tür zu gehen.


Am Pool des Mandarin Oriental in Bangkok hört man an jedem frühen Abend dieselben Wortwechsel. Wenn sich die Plätze rund um das Schwimmbecken langsam leeren und die Hotelangestellten die rostroten Badetücher auf den Liegen durch eine Plastikfolie für die Nacht ersetzen, betreten noch einzelne Gäste das Areal, mit müden, aber erwartungsfrohen Blicken. „Just arrived!", sagen sie zu einem der Angestellten, lassen sich eines der Badetücher geben und steigen in den großzügigen Pool: Es sind die neuen Gäste aus Europa, die nachmittags gelandet sind und jetzt, gleich nach dem Einchecken, noch ein paar Runden schwimmen gehen.

Sie zelebrieren den magischen Anfangsmoment jedes Aufenthalts im „Oriental", wie das Hotel trotz seiner Namenserweiterung vor einigen Jahren noch von allen genannt wird: Am Abend zuvor, beim Einsteigen ins Flugzeug, war der Himmel trüb und die Luft dreißig Grad kälter; jetzt, am Ufer des Chao Phraya, zeigen sich unzählige Sterne, und die Geräusche der Verkehrs- und Party-Boote, die auf dem breiten Fluss vorüberfahren, dringen sanft herüber. Vermutlich gibt es keinen anderen Hotelpool, der seinen Gästen ein ähnliches Schauspiel bieten könnte. Das Oriental wurde in den letzten Jahrzehnten in allen wesentlichen Listen irgendwann zum besten Hotel der Welt gewählt. Als der legendäre deutsche Manager Kurt Wachtveitl das Management im Frühling 2009 nach über vierzig Dienstjahren übergab - an Jan Goessing, einen anderen Deutschen -, waren die vielen Stammgäste gespannt und fast ein wenig misstrauisch, ob sich die besondere Atmosphäre in Zukunft erhalten würde. Goessing gesteht, bei einem Kaffee auf der Hotelterrasse am Fluss, dass er zu Beginn ein wenig nervös gewesen sei, das Erbe Wachtveitls anzutreten. „Aber jetzt, nach einem halben Jahr", sagt er, „kann ich mit Gewissheit sagen, dass jeder Gast weiterhin genauso zufrieden ist wie bisher."

An zahllosen Details ist das einzigartige Verhältnis von Hotelpersonal und Gästen im Oriental spürbar. 1200 Angestellte sind für die knapp 400 Zimmer im modernen „River Wing", 1976 eröffnet, und dem älteren „Garden Wing" verantwortlich. „Wissen Sie, wie lange unsere Angestellten durchschnittlich schon hier arbeiten?", fragt Jan Goessing nicht ohne Stolz und schiebt die Antwort gleich nach. „16 Jahre", sagte er und gibt damit zu verstehen, dass sich die besondere Aufmerksamkeit des Personals wirklich von ihrer Verbundenheit mit dem Haus herleitet.

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Und der Gast bemerkt diese Aufmerksamkeit immer wieder: am vorzüglichen Gruß aus der Küche, der einen an jedem frühen Abend im Hotelzimmer erwartet, am ungewöhnlichen Service am Pool, mit Eiswasser auf Beistelltischen neben den Liegen, das sofort ausgetauscht wird, wenn die Eiswürfel geschmolzen sind, oder am Augenmerk der Kellner morgens beim Frühstück auf der Terrasse, wenn die Sonnenschirme zwischen den Tischen unbemerkt neu arrangiert werden, sobald die Sonne einen der Gäste blendet.

Die wuchernde, ständig vom Verkehrsinfarkt bedrohte Riesenstadt Bangkok ist hinter den hohen tropischen Pflanzen rund um das Oriental kaum zu erahnen. Wer Lust darauf hat, sich der Metropole zu stellen, braucht nur ein Boot am benachbarten Steg des öffentlichen Schiffsbetriebs zu nehmen und sich flussaufwärts fahren zu lassen. Wer aber seinen Tag auf den rostroten Liegestühlen am Pool beginnt, bequemer als alle anderen Liegen in den Hotels dieser Welt, vergisst beinahe, dass er sich in einer aufregenden Großstadt befindet. „Wir haben tatsächlich viele Gäste", sagt Jan Goessing, „die eine Woche im Oriental bleiben und das Hotel überhaupt nicht verlassen." Man kann es ihnen nicht verübeln.

Hotel Mandarin Oriental Bangkok, 48 Oriental Avenue, Bangkok 10500
Tel.: 0066 (2) 659 9000, www.mandarinoriental.com

Doppelzimmer ab 250 Euro

Mit wem hinfahren: Familien schätzen die besondere Aufmerksamkeit des Hotels für Kinder, Paare in Flitterwochen den romantischen Sonnenuntergang auf der Terrasse. Mindestens genauso gut aber: Nur mit einer Tasche voller Romane
hinfahren und stundenlang am Pool lesen, vormittags die großartige
Tageszeitung Bangkok Post, nachmittags die Bücher.

Unbedingt Essen und Trinken: Das Frühstück am Fluss ­ mit Spiegeleiern, die von regelrechten Künstlern zubereitet werden, ­ ist wahrscheinlich doch einzigartig. Und der Kaffee schmeckt so gut wie in einem Wiener Kaffeehaus.

Was man am liebsten klauen würde: das gestreifte Tee-Service beim High Tea
im Author's Wing des Hotels.

Welches Zimmer: Man kann eigentlich nichts falsch machen hier - aber die
Suiten im alten Trakt sind womöglich noch etwas eindrucksvoller als die Zimmer im neuen.

Nicht perfekt: Das Essen im Sala Rim Naam, dem thailändischen Restaurant des Hotels. Nicht viel aufregender als in einem Thai-Restaurant in Deutschland. Wer in Bangkok sensationelles Essen will, isst aber bekanntlich eh auf dem Markt.
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Fotos: Hotel Mandarin Oriental Bangkok