Folge 15: Ohtel, Wellington

So weit entfernt haben wir noch kein Hotel für Sie getestet! Aber Neuseeland entschädigt seine Gäste sehr großzügig für die Reisestrapazen. Unser Autor hat sich nach Ankunft im Wellingtoner Ohtel erstmal richtig ausgeschlafen - am nächsten Morgen war es, als wäre er schon ewig dort gewesen.


Himmel, ist dieses Wellington weit weg. 25 Flugstunden, der Hintern fühlt sich nach 12 schon durchgescheuert an und nach 18 hilft auch das opulente Unterhaltungsprogramm von Air New Zealand nichts mehr: Kabinenkoller, Gehirndruckverlust, akute Sehnsucht nach echter Luft. Deswegen bleibt man, wenn endlich das Taxi vor dem Ohtel hält, auch erstmal einfach auf dem Gehweg stehen und lässt sich einfrischen.

Der dunkelblaue Südpazifik ist nur hundert Meter weit weg und frischt sehr gut, schließlich kommt der Wind quasi direkt aus der Antarktis. Das satte Grün der Hügel, auf denen diese Stadt steht, lindert gleichzeitig den Augenschmerz und die niedlichen viktorianischen Holzhäuser überall lassen schon erahnen, dass sich die Reise gelohnt hat. Aber erst hat man was anderes im Sinn: duschen&schlafen. Wie gut, dass das Ohtel so familiär (meint: klein) ist, dass man weder beim Einchecken noch bei der Zimmersuche mehr als die rudimentären Gehirnfunktionen braucht. Schon steht man in einem der zehn sonnengefluteten Zimmer, die vom Hausherrn Alan persönlich eingerichtet wurden - dass er 22 Jahre als Architekt gearbeitet hat, merkt man auf jedem Meter. Es warten handverlesene Mid-Century-Möbeln, herrliche Stoffe aus einer neuseeländischen Schneiderei und eine Badewanne, für die man mindestens ein Seepferdchen-Abzeichen bräuchte. Man ist schon sehr geschwächt, aber mit dem Pazifiklicht und Wellenrauschen auf der einen Fensterseite und der liebenswerten Hauptstadt der Kiwis auf der anderen Fensterseite, erscheint einem dieses gediegene Hotelchen als nichts weniger als der perfekte Platz. Dann umfangen einen auch schon die Traumweiten eines riesigen Bettes.

Wenn man aus der Narkose aufwacht, schlägt das Meer immer noch und es riecht nach Kaffee, also muss Morgen sein. Das Ohtel hat keine richtige Lobby, sondern nur einen freundlichen Empfangsraum mit einem einzigen großen Tisch und Kamin. Der Chef begrüßt einen mit Handschlag, als würde man hier seit Jahrzehnten absteigen und aus der kleinen Küche kommt ein Kopf, der nach den Frühstückswünschen fragt. Diese freundliche Aufnahme so weit weg von zu Hause tut gut, und ist zu keinem Moment zu eng oder verkrampft. Das gilt irgendwie für das ganze Ohtel ( und Neuseeland) - es ist, als wäre man bei Freunden abgestiegen, die einen sehr guten Geschmack haben und nichts von einem wollen. (Bis auf die Kreditkarte, ganz am Schluß!). Es gibt hier - wie in der ganzen Stadt - keine Reisegruppen, keine Abfertigung, nichts von der Stange. Alles ist übernett. Man setzt sich nachmittags auf einen der zwei Stühle, die hier simpel vor die schmale Hausfront gestellt werden und sieht den Schülern zu, die in den Hafenanlagen Cricket spielen. Die Köchin bringt Kaffee, der ein paar Häuser weiter geröstet wurde und erzählt von guten Fischrestaurants, von denen es in Wellington außerordentlich viele gibt. Sie geht am liebsten ins White House, das ein paar hundert Meter weiter rechts liegt oder ins Shed 5, das ein paar hundert Meter weiter links liegt. So ist das, in Wellington: Das Gute ist immer nahe.

ohtel, 66 Oriental Parade, Wellington 6011, Neuseeland,
Tel. 0064 4 8030600, www.ohtel.com,
Suiten ab 250 Euro/Nacht

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Mit wem hinfahren: Man kann im Ohtel auch gut alleine sein, ohne einsam zu werden, das ist ein entscheidender Vorteil gegenüber den Grand Hotels. Andererseits darf man die erotische Ausstrahlung der fein geschwungenen dänischen Holzmöbeln nicht unterschätzen.

Unbedingt Essen und Trinken: Das neuseeländische Frühstücks-Leibgericht: Vier Scheiben French Toast plus viel gebratener Speck, plus zwei Bananen plus ein halber Eimer Ahornsirup - alles schön übereinander. Wer das nicht schafft, gilt als Schwächling.

Was man im Hotel am liebsten klauen würde: Die Aroha-Kissen und Patchwork-Decken, die so eine schöne Brücke zwischen zeitgenössischem DIY-Kunst und den 50er-Jahre-Möbeln bilden.

Welches Zimmer: Alle zehn Zimmer sind besonders. Nr. 5 hat aber zum Beispiel ein wirklich unverschämt großes Bad.

Nicht perfekt: Das Interior Design ist so kompromisslos, dass man für den Badbereich auf Zwischenwände oder satinierte Scheiben verzichtet hat. Sprich, man kann vom Klo aus bis zum Hafen schauen. Die Zimmer sind also strenggenommen nix für Verschämte oder Menschen, die nicht miteinander schlafen.

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Fotos: Ohtel