Folge 16: Hotel Post, Bezau

Unser Autor versteht unter einem Wellness-Hotel mehr als demonstrativen Katalog-Luxus: nämlich die Balance zwischen Tradition und Moderne, ein Gefühl von Vertrautheit in der Fremde. Im Prinzip genau so wie im Bezauer Hotel Post. Folge 16 der 100 Lieblingshotels der Redaktion.

Bezau ist ein reizendes Dorf im reizenden Bregenzerwald mit reizenden Menschen, und vielleicht reicht das schon als Argument, dort für ein paar Tage ins Hotel Post von Susanne Kaufmann zu fahren, um sich zu erholen. Wenn man es aber ein wenig genauer angehen will, dann kann man schon mal sagen, dass die Berge dort kleingewachsen, aber irgendwie bergiger sind als sonst, dass das Holz holziger ist und die Bäume bäumiger sind. Wieder anders gesagt: Österreich wird immer schweizerischer, je näher man Bezau kommt, was nur so viel bedeutet, dass die Häuser weniger grob alpin ausschauen und die Dörfer nicht allzu festungshaft umgeben sind von schreienden Baumärkten aus Beton. Der Beton vom Bregenzerwald ist das Holz; und die alpine Borniertheit vom großen Rest von Österreich ist hier eine selbstbewusste architektonische Moderne, die natürlich - man vergisst das oft - zum wesentlichen Erbe dieses Landes gehört.

Und noch einmal anders gesagt: Wenn man im sehr weißen Spa von Susanne Kaufmann liegt und es leise aus den Lautsprechern plätschert, dass es einem die Sinne vernebelt, und eine sehr weiß angezogene Frau erst Creme um Creme aufs Gesicht tupft und sich dann ausführlich an den Wangen und an der Nase zu schaffen macht, damit die Mitesser mal etwas weniger mitessen, dann werden die Gedanken so wie das kleine ferngesteuerte Flugzeug, das an einem Nachmittag auf einer Wiese neben dem Hotel in die Luft stieg und sich eng verdrehte und dann wieder sehr elegant zur Erde hinabschwebte - die Gedanken, das macht Wellness wohl mit dem Amateur, sind hier von einer geradezu reizenden Verworrenheit. Was also ist Wellness? Ist es das Gefühl, wenn man vor dem Dampfbad steht und eigentlich in die Kräutersauna will? Ist es der Geschmack von Salzwasser, wenn man im Solebad schwebt und auf die grauen Schorfberge schaut, wie sie sich in den blauen Himmel schieben? Sind es beim Abendessen die sieben Gänge, die so gut schmecken und so gut portioniert sind, dass sie sich angenehm verteilen, selbst wenn man am nächsten Morgen im Spa mit feuchtem, warmen Nebel bestrahlt wird und jedes Blubbern und Knurren des Magens nur die Erholung, die ERHOLUNG stören würde? Geht es also vor allem darum, das Physische und das Psychische in eine Art von Balance zu bringen, die, ja, die eben balanciert ist?

Balance. Genau. Balance. Innen und außen. Alt und neu. Modern und traditionell. Das hat wohl zu tun mit Susanne Kaufmann, die aufs Sympathischste Ende dreißig ist, sie hat zwei Kinder und einen Mann, der Musiker ist, und seit fünf Generationen gehört das Hotel Post schon ihrer Familie. Seit 1850, steht stolz über dem Eingang des alten Haupthauses. Denkt man gar nicht, was vor allem daran liegt, dass im Sommer die radikale Renovierung zu Ende gegangen ist, die ihr Bruder besorgte, ein Architekt wie der Vater, und die eben diese Balance auch findet, jenseits des nostalgischen Verharrens in der 1850-Stube und diesseits aller Design-Automatismen eine Art von Zeitgenossenschaft und fremder Vertrautheit anstrebt, die aus jedem guten Hotel ein Zuhause macht, das ganz anders ist als daheim, weil es eher um ein Gefühl geht als um konkrete Gegenstände.

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Wobei zum Beispiel die Flaschen, in die sie die verschiedenen Cremes und so weiter packt, die alle aus Naturprodukten bestehen und sehr transparent sind, wobei das Aussehen dieser Flaschen, so klar, so weltgewandt, ohne aufgedreht mondän zu sein, wobei dieses New-York-kenne-ich-muss-ich-aber-gerade-nicht-sein-Gefühl schon mit dem Charme dieses Hauses zu tun hat: Da ist jemand, der weiß, dass all das: großes Hallenbad, verschiedene Saunas, Tennis in der Halle und draußen, Haubenküche nicht reicht, wenn man den Gästen, die übrigens jung waren oder eher alt, die Kinder hatten oder schwul waren, eine wirklich gute Mischung also, wenn man den Gästen nicht etwas mehr bietet als Äußerlichkeiten. Was genau das ist? Woher soll ich das wissen, ich liege hier auf einem Stuhl und habe warmen Nebel im Gesicht und lasse mir die Haut säubern.

Kur- und Sporthotel Post, Brugg 35, 6870 Bezau, Österreich
Tel. 004355142207, www.hotelpostbezau.com

Übernachtung ab 140 Euro pro Person mit siebengängigem Abendmenü

Mit wem hinfahren: Kein Hotel für Ehebrecher, zu viele freundliche und aufmerksame Menschen aller Generationen. Eher etwas für ältere Damen, die mal mit ihrer besten Freundin ein paar Tage allein sein wollen, für junge Paare, für Familien, für Töchter mit ihrer Mutter: für alle anderen!

Unbedingt Essen und Trinken: Das siebengängige Abendmenü bietet innovativ-alpenländische Küche. Allerdings sollte man unbedingt einmal im hoteleigenen Haubenrestaurant Irma zu Abend essen, wo es monatsweise andere kulinarische Schwerpunkte gibt, im Dezember und Januar etwa "Trüffel", im Februar das "Milchkalb".

Was man am liebsten klauen würde: Nichts. Alles bitte so lassen!

Welches Zimmer: Die Suiten im alten Haupthaus - sind so modern, dass man fast vergisst, wie wohl man sich fühlt.

Nicht perfekt: Die Balkons der Zimmer in Richtung Berg, also Berg ist überall, aber: BERG - sind leider im Schatten. Die Balkons der Zimmer zur Straße hin sind dafür auch für andere zugänglich.

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Fotos: Hotel Post